Süddeutsche Zeitung

Handball-EM:Bezwungen nur von Finalisten

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Von Joachim Mölter, Stockholm/München

In den letzten Spielsekunden konnten die deutschen Handballer endlich durchatmen an diesem Samstagnachmittag. Als die Portugiesen beim Einwurf den Ball vertändelten, war deren letzte, sowieso nur noch minimale Chance dahin, wenigstens eine Verlängerung zu erzwingen im Spiel um Platz fünf bei dieser Europameisterschaft. Diesen Rang hat sich die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) in Stockholm gesichert mit einem schwer erkämpften 29:27 (14:13) gegen die Überraschungsmannschaft dieser Titelkämpfe. Bundestrainer Christian Prokop sprach nachher erleichtert von einem "guten Abschluss" und erklärte: "Es ist immer was Besseres, mit einem Sieg aus einem Turnier zu gehen als mit einer Niederlage."

Die DHB-Auswahl hatte zwar ihr EM-Ziel verpasst, das Halbfinale, aber wenn sie schon keine Medaille mehr bekommen konnte, dann wollte sie wenigstens ein gutes Gefühl mitnehmen im Hinblick auf die kommenden Aufgaben: Mitte April steht die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio auf dem Programm. Das gute Gefühl, das sich die deutsche Mannschaft mit dem Erfolg über Portugal erarbeitet hat, wird noch besser durch die Erkenntnis, dass sie im Turnierverlauf nur von den beiden Teams bezwungen wurde, die am Sonntag auch das Finale in Stockholm bestreiten: Titelverteidiger Spanien (26:33 in der Vorrunde) und Kroatien (24:25 in der Hauptrunde).

Als die Endspiel-Teilnehmer der EM feststanden, standen auch zwei der drei deutschen Gegner beim Olympia-Qualifikationsturnier vom 17. bis 19. April in Berlin fest. Dort trifft die DHB-Auswahl nun auf den WM-Fünften Schweden und den EM-Halbfinalisten Slowenien sowie ein Team aus Afrika, das bei der derzeit stattfindenden Kontinental-Meisterschaft noch ermittelt wird. Die ersten Zwei dieser Vier sind dann in Tokio dabei.

Weil bis dahin nur noch ein Testspiel auf dem Programm steht, im März gegen die Niederlande, erklärte Bundestrainer Prokop die Partie gegen Portugal kurzerhand zum Beginn der Vorbereitung. Dabei musste er freilich in der Abwehr experimentieren. Weil der Kieler Patrick Wiencek aufgrund einer Knieverletzung nicht mehr im Kader stand und sein Klubkollege Hendrik Pekeler wegen Achillessehnenproblemen geschont wurde, fehlte der gewohnte Innenblock: Zunächst beorderte Prokop deshalb Johannes Golla und Paul Drux in die Abwehrzentrale; später stellte er dem Erstgenannten den Mindener Marian Michalczik an die Seite. Dabei zeigten die beiden 22-Jährigen, dass sie durchaus eine Option für die Zukunft sein können.

Portugal hatte schon prominente Gegner vor Probleme gestellt

In der Gegenwart gerieten sie allerdings einige Male in Bedrängnis gegen die Portugiesen. "Die sind unangenehm zu spielen", sagte Rechtsaußen Timo Kastening, mit insgesamt 27 Treffern bester deutscher Torschütze in diesem Turnier. Mit ihrem Überzahlspiel Sieben gegen Sechs haben die Portugiesen sogar prominente Gegner vor Probleme gestellt: Den Rekord-Weltmeister Frankreich warfen sie mit einem 28:25 in der Vorrunde raus, den EM-Gastgeber Schweden demütigten sie vor eigenem Publikum mit einem 35:25. Gegen den WM-Vierten Deutschland hielten sie das Geschehen zumindest lange offen.

Zehn Minuten vor Schluss schien die Partie sogar zugunsten Portugals zu kippen, aber nach dem 24:26 (49.) sorgten der sechsmalige Torschütze Julius Kühn und der einmalige Torhüter Johannes Bitter für die letzte, für die entscheidende Wende. Kühn, Europameister von 2016, glich mit zwei schnellen Treffern aus, und Bitter, Weltmeister von 2007, wehrte danach einen Siebenmeter sowie einen Tempogegenstoß ab und ermöglichte es seinen Vorderleuten damit, noch einmal davonzuziehen.

Zuvor hatte Bitters Kollege Andreas Wolff lange Zeit überzeugt, erst als er keinen Zugriff mehr auf die Würfe der Portugiesen bekam, schickte Prokop den mit 37 Jahren Teamältesten ins Tor. Wolff hatte zeitweise 40 Prozent der Würfe abgewehrt und sich sogar in die Torschützenliste eingetragen. Als das Tor der Portugiesen zweimal wegen ihres Überzahlspiels verlassen war, reagierte Wolff nach einer Parade blitzschnell und warf den Ball übers ganze Feld ins Netz. Das passte ins Bild an diesem Samstagnachmittag: Zweitbester Torschütze der DHB-Auswahl nach Julius Kühn war der als Defensivspezialist bekannte Johannes Golla: Der Kreisläufer erzielte vier Treffer und empfahl sich damit für weitere Aufgaben in diesem Jahr.

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