Süddeutsche Zeitung

Handball:Aalborg mischt die Handballwelt auf

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Der dänische Klub spielt international bislang kaum eine Rolle, verpflichtet nun aber gleich zwei Weltklasse-Spieler: Mikkel Hansen und Aron Pálmarsson.

Von Tim Brack, München

Der Handball-Nationalspieler Fabian Wiede war 2012 noch etwas schmächtig auf der Brust, als er mit den Füchsen Berlin im Final-Four-Wettbewerb der Champions League gegen den dänischen Klub AG Kopenhagen antrat. In der Partie ging es bloß um Platz drei, ein besonderes Erlebnis dürfte es trotzdem gewesen sein für den 18 Jahre alten Wiede. Beim Finalturnier in Köln spielen die vier besten Teams jährlich vor prächtiger Kulisse um den Titel. Zwei Siege reichen, um die Trophäe zu erobern. Zwei Siege nur. Favoriten fallen. Außenseiter jubeln. In Köln ist alles möglich.

Wo bei Wiede noch reichlich Luft unter dem Trikot wehte, zeichneten sich bei Kopenhagens Mikkel Hansen bereits Muskelberge ab. Der Däne trug schon damals die Haare lang - sein Markenzeichen, neben dem Obelix-starken Wurf. Auch für Hansen war es ein besonderes Spiel, denn seitdem stand er nie wieder mit einem dänischen Klub im Final Four. Dänemark ist zwar Weltmeister im Handball, aber auf Klubebene international kein Big Player. Und damit nach Aalborg, das im Champions-League-Viertelfinale an diesem Mittwoch im Rückspiel auf die SG Flensburg-Handewitt trifft (20.45 Uhr/DAZN).

Die 117 000-Einwohner Stadt im Norden Dänemarks, Region Jütland, ist eher unverdächtig, ein Epizentrum des Handballsports zu sein. Pittoreske Kulisse, Schloss, Kloster, einige Kunstmuseen. In die Liste der Sehenswürdigkeiten reihte sich zuletzt Aalborg Handbold ein. Der Klub schickte im Februar einige seismische Wellen in die Sportwelt, als er die Verpflichtung Hansens für den Sommer 2022 verkündete. Wumms! Mikkel Hansen, 33, Aushängeschild des Handballs, Großverdiener bei Paris Saint-Germain, wechselt ins beschauliche Aalborg. Was für eine Nachricht!

Das Interesse an Aalborg steigt enorm

Bis zu diesem Zeitpunkt verlief die Geschichte dänischer Klubs meistens so: Sie finden ein junges Talent, bilden es aus, das Karrieresprungbrett schleudert es dann ins Ausland. Die Dänen formten Stars, sie kauften keine. Aalborg mischt das Geschäft nun auf. Denn der Verpflichtung von Hansen schob der Klub eine weitere spektakuläre hinterher: Aron Pálmarsson, einst begnadeter Mittelmann beim THW Kiel und aktuell Lenker des FC Barcelona, kommt schon in diesem Sommer.

Seit diesen beiden Coups ist Aalborgs Direktor Jan Larsen ein gefragter Mann. "Ich wusste, es würde groß sein. Aber dass es so groß wird, hat mich überrascht", sagt er am Telefon. Seine Vision ist klar: Er will in der Champions League angreifen. Dafür brauche es zwei bis drei Top-Spieler. "Hansen hat gesagt: 'Mein Traum ist es, die Champions League mit einem dänischen Team zu gewinnen. Ich will sehen, ob es möglich ist'", erzählt Larsen: "Und wir wollen das auch." Ein Ziel, das verbindet.

Mancher Beobachter fühlt sich bei den Vorgängen an AG Kopenhagen erinnert, jenen Klub, mit dem Hansen 2012 im Final Four stand. Der Verein versammelte dank Mäzen Jesper Nielsen einige Größen in seinen Reihen, ging aber nur zwei Jahre nach der Gründung insolvent, nachdem sich Nielsen zurückgezogen hatte. Larsen sieht diese Gefahr für seinen Klub nicht. Seit elf Jahren spielt der Verein in der ersten Liga, absolviert die fünfte Saison in der Champions League. Larsen leitet kein Schnellschuss-Projekt. "Wir haben uns sehr gut entwickelt, weil wir uns in unserem eigenen Tempo verbessert haben", sagt er, "wir wollten nicht von Nummer acht auf Nummer eins innerhalb eines Jahres." Es solle nice and easy vorangehen, sagt er.

Auch in Aalborg unterstützt ein Multimillionär

Die Zuschauerzahlen erzählen viel von Aalborgs Aufstieg, es begann mit 2000 Fans, vor Corona waren es 4000. Nun gibt es Pläne, Platz für bis zu 8000 Zuschauer zu schaffen - für die Zeit, wenn Hansen seine Tore wirft. Larsen betont als Erfolgsfaktor die administrative Arbeit seines Vereins, deswegen haben die 500 bis 600 überwiegend regionalen Sponsoren eine besondere Loyalität entwickelt: "Es ist ein Klub mit sehr viel Herz. Wir machen, was wir sagen."

Durch seriöses Arbeiten erzielte Aalborg laut Larsen in jedem der vergangenen zehn Jahre Profit. Aber allein dadurch wären die Transfercoups kaum möglich gewesen. Auch in Aalborg sind Besitzer mit viel Geld involviert - eine Parallele zu Kopenhagen. Dem Multimillionär Eigild B. Christensen gehören rund 60 Prozent des Klubs, Larsen selbst besitzt zwölf Prozent, die restlichen Anteile hält Mark Nielsen, ebenfalls ein reicher Unternehmer. "Wenn sie wollten, könnten wir die Champions League gewinnen, weil die beiden so viel Geld haben", sagt Larsen. Allerdings will Aalborg keine Abkürzungen nehmen. Christensen fungiert wie eine vereinseigene Bank. Als eine neue Halle gebaut werden sollte, lieh er Aalborg 1,3 Millionen Euro. Das Geld muss zurückgezahlt werden. "Wir müssen jeden Tag um jede Krone kämpfen, die wir verdienen", beteuert Larsen.

Er rechnet damit, dass sich die Transfers von Pálmarsson und Hansen schnell refinanzieren - durch Trikotverkäufe, Fans und Sponsoren. Letztere kämen schon von selbst. "Es läuft wie verrückt", sagt Larsen, "das ist ein guter Deal für Aalborg." Auch auf die Anhänger wirken die neuen Spieler magnetisch. "Zwei Tage nach der Verpflichtung von Hansen wollten wir schauen, ob wir mehr Dauerkarten verkaufen können. Etwa 500 sind in zehn Stunden verkauft worden. Nur wegen Mikkel Hansen", erzählt Larsen. Dabei kommt der Welthandballer von 2011, 2015 und 2018 erst übernächste Saison. Aber wer eine Dauerkarte für die kommende Spielzeit kauft, besitzt ein Vorkaufsrecht in der darauffolgenden.

Dass der ganz große Wurf für Aalborg schon jetzt nicht mehr so weit weg ist, bewies der Klub im Viertelfinal-Hinspiel gegen Flensburg. Zu Hause bezwang man den Favoriten 26:21 - ohne Hansen oder Pálmarsson. Nur ein erfolgreiches Spiel ist Aalborg noch vom Final Four entfernt. Und in Köln kann bekanntlich alles passieren.

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