Süddeutsche Zeitung

Handball:Aufsteiger mit klarem Auftrag

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Zwölf Punkte nach dem ersten Saisondrittel: Die Handballerinnen des ESV Regensburg finden sich nach ihrer Qualifikation für die zweite Bundesliga überraschend gut zurecht.

Von Mathias von Lieben

Nein, sonderlich groß war die Enttäuschung nicht. Zwar hatten die Zweitliga-Handballerinnen des ESV Regensburg am Samstagabend mit 21:37 eine richtig deftige Niederlage kassiert. Doch wer hatte vor der Saison schon damit gerechnet, dass die Partie des zehnten Spieltags gegen den HSV Solingen-Gräfrath das Spitzenspiel der zweiten Liga sein würde? Der aktuelle Tabellenfünfte Regensburg, zuvor sechs Spiele in Serie ungeschlagen, hatte den Dritten Solingen empfangen. Von der Liga wurde das Spiel vorab als "Duell der Überraschungsmannschaften" angekündigt. Selten gelingt einem Aufsteiger ein so guter Saisonstart.

Entsprechend gelassen ordneten die Regensburger Verantwortlichen die Begegnung anschließend ein. "Wir sind heute geerdet worden", sagte zwar der Sportliche Leiter Robert Torunsky mit Blick auf den bisherigen Höhenflug. "Aber dass wir überhaupt so gut dastehen, damit konnte ja keiner rechnen." Selbst nach der Niederlage stehen die Oberpfälzerinnen, die das einzige bayerische Frauen-Handball-Team der beiden Bundesligen stellen, mit 12:8 Punkten immer noch auf Platz sechs. "Wir haben diesmal einen verbrauchten Tag erwischt, an dem gar nichts funktioniert hat", gestand auch ESV-Trainer Csaba Szücs ein. "Aber der Gegner hat fast perfekt gespielt. Solche Tage kommen vor."

Am Samstag steht die längste Auswärtsfahrt an - zu Mitaufsteiger MTV Heide an die Nordsee

Die demonstrative Gelassenheit ist angesichts der jüngsten Erfolgsgeschichte des Vereins durchaus berechtigt. Obwohl die vergangene Saison in der dritten Liga nach zwei Spieltagen Corona-bedingt abgebrochen wurde, setzte der Verband eine Aufstiegsrunde an, über die Regensburg recht souverän den Sprung in die zweithöchste deutsche Spielklasse schaffte. Dort wollen sie nun mit einem nur leicht veränderten Kader verhindern, dass sie das gleiche Schicksal ereilt wie die Aufsteiger zuvor; für die meisten Teams ging es zuletzt meist gleich wieder runter. Zwölf Punkte nach dem ersten Saisondrittel - das hat daher schon einen hohen Stellenwert.

"Wir hatten anfangs richtig viel Respekt vor der zweiten Liga", gibt Rückraumspielerin Nicole Lederer zu, die an der Uni Regensburg nebenbei Grundschullehramt studiert. "Aber die letzten Spiele haben gezeigt, dass wir mithalten können. Seitdem haben wir einiges an Selbstbewusstsein gesammelt." Erst dreimal haben Lederer und ihre Teamkolleginnen verloren, zweimal spielten sie unentschieden. Und unter den fünf besiegten Teams waren durchaus gestandene Zweitligisten. "Deswegen kann man gegen eine Mannschaft wie Solingen auch mal verlieren. Gerade an so einem Tag, an dem keine Aktion klappen wollte."

Dass es am Samstag in der pandemiebedingt mit nur knapp 120 Zuschauern gefüllten Sporthalle an der Dechbettener Brücke nicht so recht klappen wollte, zeigte sich schon in der hektischen Anfangsphase. Zwar konnten die Regensburgerinnen kurzzeitig durch die insgesamt starke Amelie Bayerl sogar mit 5:4 in Führung gehen (10.). Lange währte sie jedoch nicht, da Solingen defensiv deutlich aggressiver war und offensiv mehr Torhunger ausstrahlte. Gerade das Trio um Vanessa Brandt, Cassandra Nanfack und Mandy Reinarz konnte von der ESV-Defensive nur selten verteidigt werden und erzielte zusammen alleine 22 der 37 Tore. Bereits zur Halbzeit lag Solingen 19:11 in Führung.

Die beiden Langzeitverletzten Annika Bissel und Sophie Peter fehlen weiterhin

Gleich zu Beginn der zweiten Spielhälfte nutzten die Gäste dann einen der vielen Fehlpässe im Regensburger Aufbauspiel zum 20:11, bevor Reinarz nach einem ESV-Offensivfoul sogar auf 21:11 erhöhte - da waren gerade einmal 50 Sekunden gespielt. "Irgendwann sind wir dann immer mehr verkrampft", räumte Trainer Szücs ein. Als er in der 42. Minute beim Spielstand von 13:27 seine zweite Auszeit nahm, war die Begegnung längst entschieden. Was man auch an der Körperhaltung von Sportchef Torunsky erkennen konnte, der abseits des Spielerinnenkreises resigniert die Hände in die Hüfte stemmte.

"Das Spiel war ein Dämpfer und hat klar gezeigt, dass wir uns nicht auf unserer Punkteausbeute ausruhen dürfen", sagte Torunsky nach der Partie. "Das heißt aber nicht, dass wir am Samstag nicht kratzen und beißen werden in Heide." Dann steht die mit knapp 800 Kilometer wohl längste Auswärtsfahrt zu Mitaufsteiger MTV Heide an die Nordsee an. Anschließend kommt Tabellenführer Waiblingen in die Oberpfalz, bevor es gegen den derzeit noch punktlosen Tabellenletzten TV Aldekerk, ebenfalls ein Mitaufsteiger, geht.

Kein einfaches Programm bis zur kurzen Winterpause - zumal weiterhin die beiden Langzeitverletzten Annika Bissel und Sophia Peter fehlen. Wieder die Krallen und etwas mehr Biss als gegen Solingen zeigen - für die Mission Klassenerhalt dürfte Torunskys Devise unabdingbar sein.

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