Süddeutsche Zeitung

Hamburger SV:Die HSV-Girlande des Grauens

Lesezeit: 2 min

Von Klaus Hoeltzenbein, München

Achtung, Quiz! Erste Frage, eine leichte, zum Warmdenken gewissermaßen: Was haben Armin Veh, Michael Oenning, Thorsten Fink, Bert van Marwijk, Josef "Joe" Zinnbauer, Bruno Labbadia und Markus Gisdol gemeinsam?

Zweite Frage, etwas höher im Schwierigkeitsgrad: Was eint Heiko Westermann, Jeffrey Bruma, Pierre-Michel Lasogga?

Man hatte ja schon die ernsthafte Sorge, dass all den Frage-und-Antwort-Spielchen im ARD-Vorabendprogramm demnächst die Substanz ausgehen werde, aber seit Samstagnachmittag ist diese Sorge ein bisschen kleiner. Da wurde in einem einzigen Fußballspiel wieder einmal deutlich, wie viel Rätselspaß so ein Duell entwickeln kann. Speziell die Opfergänge des Hamburger SV nach München sind längst ein Klassiker - sie haben sogar für Quizfreude unter den Mathematikern einen Reiz, der weit übers kleine Einmaleins hinausreicht. Eine einfachere Frage für Schnelldenker wäre zum Beispiel: Wie viele mögliche Ergebnisse liegen zwischen einem 1:3 und einem 2:9? Und, schon schwerer: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die einzige Mannschaft, die seit Gründung der Bundesliga immer dabei war, dass also der HSV zweimal mit 0:8 verliert? Nicht etwa Jahrzehnte voneinander entfernt, sondern im Februar 2015 mit Wiederholung im Februar 2017? Auf Akklimatisationsprobleme in der kalten Jahreszeit lässt sich ein solches 0:16 kaum schieben, denn zwischendrin, im August 2015, kassierte der ehedem ruhmreiche HSV an der Isar immerhin ein 0:5.

Fügt man also alles zusammen, so haben die Hamburger die letzten sieben Duelle in München 0:6, 0:5, 2:9, 1:3, 0:8, 0:5, 0:8 verloren. Sieben Pleiten, 3:44 Tore. Es ist eine Girlande des Grauens, an der sieben verschiedene Trainer von Veh bis Gisdol mitgewirkt haben. Währenddessen gelang es nur den Profis Westermann, Bruma und Lasogga, in München überhaupt ein Tor zu schießen. Der inzwischen bei Ajax Amsterdam gelandete Westermann traf gar zwei Mal - dem 0:6 steuerte er ein Eigentor bei.

Am Morgen nach dem neuerlichen Nullacht schwieg der HSV. Die Mannschaft hatte sich in den Kraftraum zurückgezogen, offenbar eine erste Reaktion auf jene Zweikampf-Vermeidungshaltung, die in München zu bestaunen war. Was hätten sie auch sagen sollen, nachdem am Vortag vieles gesagt und wenig erklärt worden war. Drastisch von Torwart René Adler: "Wir haben mit dem Arsch eingerissen, was wir uns in den letzten Wochen aufgebaut haben" - etwa beim 3:0-Sieg beim Tabellenzweiten RB Leipzig. Melodramatisch von Trainer Gisdol: "Wir haben es zu keinem Zeitpunkt geschafft, ein angemessener Gegner zu sein." Fatalistisch von Jens Todt: "Ein schlimmer Tag. Ein ganz schlimmer Tag." Der Sportchef wäre jedoch ein schlechter Manager, würde er nicht versuchen, den Tunnelblick sofort wieder nach vorne zu justieren, auf Mittwoch, auf die nächste Chance. Gladbach erscheint zum Cup-Duell, man werde sich jetzt, so Todt, "einen Tag lang ärgern", und dann "Verein und Fans das Pokal-Halbfinale schenken".

Ein Fluchtreflex, der helfen mag, kurzfristig. Tief in die HSV-Historie eingegraben hat sich allerdings die Drei-zu-44-Serie, eine Geschichte der permanenten Kapitulation. Mit all den seltsamen Fragen, die Quizmastern von Bommes bis Pilawa das Programm füllen könnten. Eine wäre: Wie lautet die Bilanz von Torwart Adler gegen Bayern? Antwort: 16 Spiele, 13 Niederlagen, kein Sieg, 50 Gegentore. Zusatzfrage: Worin liegt da der Trost für die Hamburger? Darin: Die ersten Niederlagen gab's mit Leverkusen.

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SZ vom 27.02.2017
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