Süddeutsche Zeitung

Hängende Spitze:Schreckgespenst Löw

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Der Altbundestrainer wurde am Samstag wieder im Stadion gesichtet. Es stellt sich daher die Frage: Auf welchen Job hat er es abgesehen?

Von Philipp Selldorf

Nach offiziellen Angaben war das baden-württembergische Derby am Samstag "ausverkauft", doch ob Jogi Löw eine der 500 Eintrittskarten erworben hat, ist nicht bekanntgemacht worden. Möglicherweise fällt er als Altbundestrainer nicht unter das beschränkte Besucher-Kontingent. Wie seiner Weggefährtin, der Altkanzlerin Angela Merkel, sollten auch Löw im Ruhestand gewisse Privilegien zustehen. Er braucht keine Bodyguards vom BKA, aber eine Freikarte für den besten Platz auf sämtlichen Tribünen im Land dürfte selbstverständlich sein, erst recht, da sich Löw die Rückkehr in sein Metier offenhält. Im Dezember hatte er erklärt, die eingeplante Ruhezeit nach der EM - das "Durchschnaufen", wie sie beim stressgeplagten DFB-Team zu sagen pflegen - werde zu Silvester auslaufen. Im neuen Jahr wolle er dann "weitersehen".

Für viele Kollegen ist das eine beunruhigende Ansage. Löw ist neben dem schon etwas angejahrten Brasilianer Luiz Felipe Scolari der höchstdekorierte Mann, der zurzeit auf dem Weltmarkt zu haben ist. Wo er künftig auftaucht, stellt sich automatisch die Trainerfrage. Während früher geklagt wurde, dass sich Löw auf den Branchen-Tagungen nicht blicken ließe und seine Besuche in einem Stadion nördlich der Dreisam-Linie als Ereignis von der Seltenheit eines Venustransits gelten müssten (den nächsten soll es übrigens im Jahr 2117 geben), ist er nun ein Schreckgespenst seiner Zunft. Seine Visite am Samstag gibt dafür einen Paradefall ab: Pellegrino Matarazzo, mit Stuttgart in Abstiegsgefahr und im BaWü-Derby 0:2 unterlegen, wäre ein logisches Opfer für Löws Comeback, zumal dieser den VfB auch vom Wohnort Freiburg aus betreuen könnte, was seinem Lebensmodell entgegenkäme.

Noch logischer wäre es aber, wenn Löw gleich den Job vor seiner Haustür anstreben würde. Noch wird Christian Streich zwar überall gefeiert, aber er selbst dürfte wissen, dass er beim Sportclub den dramatischen Rückrunden-Absturz von Platz drei auf Platz fünf zu verantworten hat. Spannender wird diese Geschichte wohl nur noch, wenn Löw demnächst auch bei Länderspielen wohlfrisiert auf der Tribüne sitzt.

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