Süddeutsche Zeitung

Greuther Fürth:Tränen nach dem Aha-Moment

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Der Aufstieg von Jamie Leweling bestätigt den Fürther Ausbildungsweg.

Von Thomas Gröbner

Jamie Leweling versuchte vergeblich, die Tränen zu verbergen, wer möchte schon weinen vor Tausenden Beobachtern? Doch sein Fürther Trainer Stefan Leitl hatte es gesehen, eilte schnell herbei und nahm den 18-Jährigen in den Arm; Freudentränen trocknen schneller als Tränen aus Bitternis. Leweling hatte sich überwältigen lassen von den Gefühlen nach seinem ersten Profitor, dazu hatte er die Führung durch Branimir Hrgota beim 3:1-Sieg nach seiner Einwechslung vorbereitet. "Das zeigt sein Wesen", sagt Geschäftsführer Sport Rachid Azzouzi.

Tatsächlich verlief der Aufstieg von Leweling rasant, im vergangenen Jahr spielte er in der Fürther A-Jugend in der Bayernliga, im September wurde er mit einem Profivertrag ausgestattet, im November debütierte er in der U19-Nationalmannschaft, und nun traf er zum ersten Mal im Profifußball. "Das musst du erst einmal verarbeiten", sagt Azzouzi. Nicht erst seit seinem Tor gilt Leweling als eines der großen Versprechen der nahen Zukunft in Fürth. Seine Entwicklung darf auch als Nachweis gelten, dass die Nachwuchsförderung in Fürth wieder mehr ist als ein flottes Versprechen, mit dem um Talente geworben wird. Oft hat die Spielvereinigung ihren Status als Veredelungsbetrieb beschworen, zuletzt gelang es nicht mehr oft, junge Spieler in der ersten Mannschaft zu integrieren. Und so verpflichtete Fürth sich vor dieser Saison selbst, vermehrt auf die Jugend zu setzen.

Vor dem Spiel gegen Karlsruhe (Samstag, 13 Uhr) konnte Trainer Stefan Leitl zufrieden feststellen: "Wir haben da auch Wort gehalten."

Azzouzi wird auch nicht müde, das Talent von Maximilian Bauer und David Raum zu loben

Vielleicht kommen da gerade zwei Dinge zusammen, zum Glück von Fürth oder von Jamie Leweling, je nachdem wie man es sehen mag: Das Talent des Angreifers, und der Wille, dem Nachwuchs zu vertrauen. Auch wenn die Tabellensituation der Fürther nicht viel Spielraum zulässt für verrückte Experimente: Platz neun, bei sieben Punkten Abstand zum Relegationsplatz. Leitl hält nichts von vorweihnachtlicher Seligkeit: "Es herrscht keine Glühweinstimmung bei uns." Vielleicht ist es auch so, dass sie in Fürth gar nicht an Leweling vorbeikommen. "Wenn man das Talent von Jamie hat, dann wird man immer seine Chance bekommen", sagt Leitl. "Eine Super-Physis" macht Azzouzi bei ihm aus, dazu Torgefahr und Schnelligkeit. Aber auch Dinge, an denen er noch arbeiten muss. "Irgendwann können dich deine Gegner auslesen", warnt Azzouzi, "und dann müssen neue Lösungsansätze her." Doch in der Gegenwart sind die Finten und sein Antritt für viele Verteidiger noch ein kleiner Aha-Moment. Gegen Bochum erkannte er blitzschnell den Raum hinter der Viererkette und wackelte elegant den herausstürzenden Bochumer Torhüter aus. Das Fazit von Azzouzi: "Ich glaube, dass er sich durchsetzen wird."

Azzouzi wird auch nicht müde, das Talent von Abwehrmann Maximilian Bauer, 19, und Flügelspieler David Raum, 21, zu loben, und vergisst auch nicht Verteidiger Paul Jäckel, 21. Wobei Bauer und Jäckel sich zuletzt gedulden mussten, weil Leitl in der Innenverteidigung auf das Ü-30-Duo Marco Caligiuri und Mergim Mavraj setzt. Weil Kapitän Caligiuri nun verletzt pausieren muss, dürfte einer der beiden wieder eine Chance bekommen.

In der ganzen Talentschau tauchte einer zuletzt selten auf: Elias Abouchabaka. In Fürth zur Leihe, um ihn für RB Leipzig an den Profifußball heranzuführen. 250 000 Euro soll Leipzig für den damals 15-Jährigen an Hertha BSC gezahlt haben, ein großes Preisschild für einen Jugendlichen. Doch die Zeit in Fürth neigt sich dem Ende entgegen, im Sommer läuft das Leihgeschäft aus, dann wird der nun 19-Jährige wohl zurückkehren nach Leipzig.

"In der U17 war er vielleicht einer der stärksten Spieler in Deutschland", sagt Azzouzi. Doch einen reibungslosen Übergang in den Profibereich garantiert das nicht, Verletzungen warfen ihn zurück. "Der eine Spieler adaptiert Dinge schneller als andere. Aber das ändert nichts an seinem Talent", sagt Azzouzi, der Geduld und Vertrauen einfordert. Nicht nur von den Spielern, auch von deren Umfeld; er vermisst hin und wieder die Beharrlichkeit der neuen Generation. "Wenn ein Hindernis auftaucht, versuchen sie es zu umgehen - und nicht, es aus dem Weg zu räumen."

Jamie Leweling kann da als gutes Beispiel gelten, sagt Azzouzi: "Das ist ein Junge, der sich alles erarbeitet hat."

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SZ vom 13.12.2019
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