Süddeutsche Zeitung

Glosse:Elch-Test mit Ansage

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Was das DFB-Team von Mercedes-Benz und dem Elchtest lernen kann.

Ralf Wiegand

Die gute Nachricht zuerst: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat schon länger durchgehalten als damals die A-Klasse von Mercedes-Benz.

Das Automodell war nach einer 18-monatigen Werbekampagne am 18. Oktober 1997 in den Markt eingeführt worden, aber drei Tage später, plumps!, da fiel das Auto einfach um.

Der Testfahrer einer schwedischen Zeitschrift fuhr den Wagen mit einer Geschwindigkeit von 78 km/h auf einer geraden Straße und sollte, so sah es das Experiment vor, einem Hindernis ausweichen.

Kommender Weltmarktführer

In Schweden steht angeblich gerne mal unvermittelt ein Elch auf der Straße - die Episode fand als missglückter Elch-Test Eingang in die Geschichtsbücher.

So schlimm also kann es nicht mehr kommen. Die Markteinführung der deutschen Fußballer, seit der Berufung von Jürgen Klinsmann zum Bundestrainer vor 23 Monaten von diesem als kommender Weltmarktführer beworben, ist schon 13 Tage her. Es war ein lauer Freitagabend in München, falls sich noch jemand erinnert. Vorher gab es eine bunte Show und dann zum Fest ein 4:2.

Seitdem fahren die Spieler mit dem Mercedes-Stern auf dem Trainingsanzug auf einer schnurgeraden Straße durchs Turnier, und wenig deutet darauf hin, dass irgendwelche unbekannten Wesen aus der Böschung springen und eine Vollbremsung erzwingen.

Samstag ist Elch-Test

Zwar steht das DFB-Team am Samstag vor seinem ganz persönlichen Elch-Test, und das sogar bei einer verschärften Versuchsanordnung, weil gleich elf Elche auf der Straße stehen.

Allerdings konnten die Deutschen schon seit 9. Dezember 2005, der WM-Auslosung von Leipzig, die Wahrscheinlichkeit eines Wikinger-Überfalls auf ihren Titeltraum berechnen. Diese Wahrscheinlichkeit war sehr, sehr hoch - es wird ein Elch-Test mit Ansage. Angesichts der akribischen Detailarbeit im DFB-Tross dürfte diese Option niemanden überraschen.

Ist die Mannschaft darauf vorbereitet? In der Vorrunde, einer Art Leistungs-Check unter Werkstattbedingungen mit der Möglichkeit, zu jeder Zeit alle Schrauben nachzuziehen, lief das deutsche WM-Wägelchen recht sauber.

Eile tötet

Es bestand alle drei Prüfungen ohne schwerwiegende Mängel - abgesehen von ein paar anfänglichen Undichtigkeiten am Heck, einer kleinen Unwucht vorne im Zwei-Mann-Sturm und einer leichten Spurabweichung nach links, weil hinten rechts zu wenig Luft im Reifen ist.

Jetzt aber geht es runter von der abgesperrten Teststrecke und rein in den öffentlichen Straßenverkehr, wo jeder Crash der letzte ist. Gefragt ist von Klinsmanns Führerschein-Neulingen, die gerne mal ein bisschen zu ungestüm aufs Gaspedal treten, ab jetzt vor allem Geduld. Auf jeder Landstraße warnen ja entsprechende Schilder: Eile tötet.

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Quelle:
SZ vom 22.6.2006
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