Süddeutsche Zeitung

Gladbach - Hertha (15.30 Uhr):Spiel um Platz 3

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Die Borussia muss gegen die in dieser Saison sehr stabilen Hauptstädter gewinnen, sonst droht eine Saison ohne Europacup - und ein Sommer des Ausverkaufs.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Am Niederrhein haben sie ein bisschen Angst vor dem Sommer. Bei Borussia Mönchengladbach sehnt sich derzeit niemand so recht nach der Wärme und der Wohligkeit der sonnigsten Jahreszeit, weil nämlich der Sommer beim Fußball immer auch eine Phase der personellen Veränderungen ist.

In Gladbach haben sie diesbezüglich vor allem Verlustängste. Havard Nordtveit geht fort, Granit Xhaka ziemlich wahrscheinlich, Andreas Christensen womöglich und bei Mahmoud Dahoud wird sich die Borussia zumindest hartnäckig wehren müssen. Gladbacher Spieler sind begehrt, dabei droht dieser Mannschaft doch noch immer das Schreckensszenario, dass sie in der kommenden Saison nicht einmal international spielt. Ein dafür wegweisendes Spiel haben die Gladbacher an diesem Sonntag gegen den Tabellendritten Hertha BSC Berlin. Die Borussen haben vielleicht ein bisschen Furcht vor dem Sommer, aber ihre wahren Sorgen sind viel akuter.

Seit fünf Monaten, seit einem 4:1-Sieg in Berlin am 31. Oktober, haben die Gladbacher kein Auswärtsspiel mehr gewonnen. Genau deshalb sind sie vor dem heimischen Rückspiel gegen die Hertha nun in der misslichen Situation, dass sie an diesem Sonntag unbedingt gewinnen müssen, um sich Chancen auf den dritten Platz zu wahren. Dieser dritte Platz hätte am Saisonende den Vorteil, dass man ohne zusätzliche Qualifikationsspiele an der Champions League teilnehmen darf. Aber dies als Ziel formulieren die Gladbacher ja ohnehin nicht. Manager Max Eberl spricht stets bloß von einem "einstelligen Tabellenplatz", dabei wäre bei der Borussia mit Platz neun im Mai niemand glücklich.

Der fehlende Raffael ist nicht gleichwertig zu ersetzen

Das größte Manko für die Borussen ist diesmal, dass ihr Spielmacher Raffael ausfällt, weil sein Muskelfaserriss im Oberschenkel, den er sich vor zwei Wochen bei der grotesken 1:2-Niederlage auf Schalke - bei der die Gladbacher alle Tore irgendwie selbst erzielten - zugezogen hat, noch nicht wieder verheilt ist. Der Brasilianer ist in dieser Saison mit 13 Toren und zehn Torvorlagen an 43 Prozent der bislang 54 Gladbacher Bundesliga-Treffer beteiligt - und eigentlich unverzichtbar. "Er prägt ein Spiel", sagt der Trainer André Schubert, "Raffael kann man nicht gleichwertig ersetzen, aber wir haben schon ein paar gute Jungs, die seinen Ausfall ganz gut kompensieren können." Thorgan Hazard ist ein Kandidat für die Raffael-Rolle in der Doppelspitze neben Lars Stindl.

Raffael ist einer der ganz wenigen Gladbacher, die momentan nicht bei anderen Vereinen gehandelt werden. Das dürfte vor allem mit seinem fortgeschrittenen Alter von 31 Jahren zusammenhängen.

"Ansonsten ist offenbar jeder Spieler von uns gerade bei irgendeinem Verein im Fokus", sagte Borussia-Sportchef Eberl bei der offiziellen Pressekonferenz vor dem Hertha-Spiel grinsend und spottend und animierte den neben ihm sitzenden Trainer Schubert zur aufgesetzt aufgeregten Frage: "Ja, kriegen wir denn nächste Saison überhaupt noch elf Mann zusammen?" Worauf Eberl wiederum antwortete: "Auf jeden Fall haben wir dann viel Geld - glaube ich."

So machen sie sich ihren Spaß in Mönchengladbach und spielen Kasperltheater rund um die medial mitunter allzu stilisierte Angst vor dem Auseinanderbrechen der Mannschaft.

Gladbach plagt noch der Favre-Saisonstart mit fünf Niederlagen

Aber auch die durchaus akutere Gefahr, weder die Champions League noch die Europa League zu erreichen, spielen sie herunter. "Dass wir zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch an Platz drei denken und von Europa träumen dürfen, hätte vor ein paar Monaten niemand gedacht", sagte Eberl und erinnerte damit zum wiederholten Mal an den missratenen Saisonstart unter Lucien Favre mit damals fünf Niederlagen.

Dabei betonen Fußballspieler und -funktionäre sonst allzu gerne, nicht nach hinten, sondern nur nach vorne schauen zu wollen. In Gladbach konservieren sie den Saisonfehlstart hingegen allzu gern als Mahnmal und deuten angesichts ihrer derzeit fehlenden Konstanz immer wieder auf den Spätsommer 2015 zurück. Dabei haben die schwachen Auswärtsergebnisse damit längst nichts mehr zu tun.

Und sollte auch das Spiel gegen Berlin nicht gewonnen werden, müssen die Borussen sich mit einer Saison auseinandersetzen, die vor dem Sommer des drohenden Ausverkaufs als eine verlorene in die jüngsten Jahre des Aufschwungs einzugehen droht. Es ist in mancherlei Hinsicht ein wegweisendes Spiel.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2016
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