Süddeutsche Zeitung

Leichtathletik-WM:"Ich habe davon geträumt, aber es nie ausgesprochen"

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Von Saskia Aleythe, Doha

Am Ende reichte die Kraft sogar noch, um jubelnd über die Ziellinie zu rennen. 3000 Meter Hindernis können verdammt lang sein, und dieses Finale in Doha war ja auch ungeheuer schnell: Nach 1000 Metern lag Kenias Beatrice Chepkoech auf Weltrekordkurs. Doch Gesa Felicitas Krause sah auf dieser letzte Runde im Khalifa-Stadion von Doha so leichtfüßig aus, als würde sie gerade im Trainingslauf kurz das Tempo anziehen. Und so sammelte Krause die Gegnerinnen ein, war plötzlich Fünfte, Vierte und machte schließlich, was in ihrer Natur liegt: Hindernisse überwinden. Den letzten Wassergraben überquerte sie mit einem Sprung, der sie zu WM-Bronze führte. Es war die erste Medaille für die Deutschen in Doha.

Nach kurzem Jubel im Ziel ging Krause zu Boden und hielt sich ergriffen die Hände vors Gesicht. Der 27-Jährigen waren vorab vorsichtige Medaillenchancen zugesprochen wurden, sie war in diesem Jahr die Achte der Welt und man weiß ja nie, was bei so einem Hindernislauf passiert. "Ein Traum ist in Erfüllung gegangen", sagte sie am ZDF-Mikrofon, da hatte ihr Trainer Wolfgang Heinig auf der Tribüne schon die ersten Tränen vergossen. "Das war nicht die Arbeit von einem Jahr, sondern von zehn Jahren", sagte er. Und seine Prognose vor dem Rennen war nicht die schlechteste. Krause sagte: "Mein Trainer hat mir ans Herz gelegt, dass Rennen hinten raus entschieden werden."

"Am Anfang war ich überrascht, wie schlecht es mir ging"

Mit dem Start in Doha war eine ja schon davongeschossen: Chepkoech, dahinter formierte sich eine Verfolgergruppe von einem halben Dutzend Läuferinnen, an deren Ende: Krause. "Am Anfang war ich überrascht, wie schlecht es mir ging", sagte sie, sie musste kämpfen. "Die ersten drei Wassergräben habe ich ein bisschen getrippelt", sagte sie, dennoch wurden die Abstände mit zunehmendem Rennverlauf kürzer, sie konnte die Lücken schließen, gerade wegen der guten Technik an den Hindernissen.

"Meine Stärke ist es, auf der letzten Runde alles zu mobilisieren", sagte sie, und das sah man auch. Hinter Weltmeisterin Chepkoech (8:57,84 Minuten) und der Amerikanerin Emma Coburn (9:02,35) bedeutetet ihr WM-Bronze auch neuen deutschen Rekord in 9:03,30 Minuten. Sie war jetzt noch mal vier Sekunden schneller als Ende August beim Diamond-League-Meeting in Zürich. Da hatte sich ja schon angedeutet, dass das ihre WM werden könnte, nach WM-Bronze 2015 in Peking.

Krause hat sich schon bei der WM 2017 in London in die Herzen eines größeren Publikums gelaufen - ohne Medaille. Damals blieb eben jene Beatrice Chepkoech nach fast zwei Runden an einem Hindernis hängen, Krause konnte nicht ausweichen und stürzte, kassierte einen Tritt auf den Knöchel, Schläge auf den Kopf. Sie fiel auf den letzten Platz zurück, doch Aufgeben kam für Krause nicht in Frage. Am Ende stand ein neunter Platz, der so umjubelt wurde wie kaum ein neunter Platz zuvor. Vor allem, weil Krause souverän mit ihrem Schicksal umging und Chepkoech keinerlei Vorwürfe machte. "Sie ist ja selbst hängen geblieben und war am Ende nur Vierte, als Weltjahresbeste. Sie ist damit sicher auch nicht so zufrieden", sagte Krause und schluckte die Tränen hinunter.

Im vergangenen Jahr war Krause bei der EM in Berlin umjubelt zu Gold gerannt und hatte ihren Titel von 2016 verteidigt. Nun belohnte sie sich erneut. "Ich bin überglücklich, kann es gar nicht in Worte fassen", sagte sie, "ich habe davon geträumt, aber es nie ausgesprochen, weil ich dachte, das bringt Unglück, wenn man das sagt." Träumen kann sie nun noch ein bisschen mehr: "Ich bin in der Weltspitze angekommen", sagte sie. Und alle Strapazen waren Nebensache.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2019
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