Süddeutsche Zeitung

Bewerbung um die Ski-WM:Ein Vermächtnis "für Winter und Sommer"

Lesezeit: 4 min

Von Johannes Knuth, Garmisch-Partenkirchen

Was in diesen Tagen wieder auffällt: diese Ruhe. Keine Alkoholleichen auf der Straße wie in Kitzbühel, keine Tausende Besucher, die unterhalb einer einzigen Kurve ein kleines Winterfestival feiern wie zuletzt in Wengen. Manchmal blicken sie in Garmisch-Partenkirchen ein wenig neidisch auf diese großen Sammelpunkte des alpinen Skisports, aber sie und auch viele Athleten schätzen schon auch die Beschaulichkeit rund um ihre Weltcup-Rennen, in die der Tross nach den anstrengenden Januartagen gerade eintaucht. Am vergangenen Wochenende, rund um die Rennen der Männer, wiesen nur ein paar Fahnen in der Fußgängerzone darauf hin, dass hier gerade ein Weltcup stattfindet - und dass man sich nebenbei für die alpine Ski-WM 2025 bewirbt. Am Sonntag hingen die Fahnen dann etwas ermattet da, durchnässt vom Regen.

Man sieht es Garmisch-Partenkirchen nicht immer gleich an, aber die Alpinen sind schon wichtig für die Gemeinde und die Ausrichter, vor allem als Schaufenster für die heimischen Spitzen- und Nachwuchskräfte. Und in diesen Tagen schauen alle noch ein bisschen genauer hin, wegen der WM-Bewerbung nämlich, über die Mitte Mai in Pattaya, Thailand, gerichtet wird - wo sonst? Die Mitbewerber sind nicht zahlreich, sie stammen aber aus den einflussreichen Skinationen: Die Österreicher schicken Saalbach-Hinterglemm ins Rennen, die Schweizer Crans-Montana. Für Garmisch wäre es die dritte Alpin-WM, nach 1978 und 2011, sie sind in der Hinsicht der erfahrenste Bewerber im Feld. Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht.

Alle Wettbewerbe sollen in einem neuen, dauerhaft errichteten Zielstadion enden

Am Rande des vergangenen Weltcup-Wochenendes betrieben alle Beteiligten in kleiner Runde Wahlkampf, der Deutsche Skiverband war mit Präsident Franz Steinle und Alpindirektor Wolfgang Maier vertreten, der ausrichtende SC Garmisch mit OK-Chef Peter Fischer, die Gemeinde mit Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer. Maier lobte erst einmal, wie tapfer die Ausrichter die beiden Männer-Rennen durchbekommen hatten, trotz Neuschnee, Plusgraden, Regen. Am kommenden Wochenende stehen noch eine Abfahrt und ein Super-G der Frauen im Programm, wobei sie am Freitag auch noch die ausgefallene Abfahrt aus Sotschi nachholen wollen. Man wolle auch demonstrieren, sagte Maier, dass "egal was kommt, wir damit fertigwerden".

Ein anderer Pfeiler sei das Vermächtnis für die Zukunft, sagte DSV-Präsident Steinle. Mit so einer WM setze man ja zwei, drei Athletengenerationen auf die Schiene. Man habe dabei auch die Nachhaltigkeit im Blick, klar, "gerade vor der heutigen Umweltdiskussion". 2025 würden sie nicht mehr auf zwei Hängen fahren, wie noch 2011, sondern alles auf der Kandahar austragen. Das sei billiger für die TV-Anstalten, so OK-Chef Fischer, man müsse kaum Bäume fällen und auch sonst kaum in die Natur eingreifen. Bis auf die künstliche Beschneiung natürlich; ohne diese hätten die Rennen auch in diesem Jahr kaum stattgefunden. Im Tal sollen die Rennen dann in einem Zielstadion neben der Kreuzeckbahn zusammenfließen. Das würde die bislang teuren, temporären Tribünen des bisherigen Weltcup-Ziels ablösen, für mindestens 30, 40 Jahre. Man wolle eine Parkgarage über die Bahngleise bauen mit bis zu 800 Plätzen, sagte Fischer, darüber eine Tribüne für 5000 Zuschauer. Für die WM sollen weitere 5000 dazukommen. Ein Vermächtnis "für Winter und Sommer", sagte er.

Skepsis? Sei wirklich kaum vorhanden, bekräftigte die Bürgermeisterin. Der Gemeinderat sei ja "sehr bunt", von der Bayernpartei bis zu den Grünen. Am Ende habe man der Bewerbung mit 27:1-Stimmen zugestimmt. Die geplante Arena bezeichnete Meierhofer als "tatsächlich sehr charmant", auch für diverse Sommerevents. Auch charmant: Der Großteil des möglichen Baugrundes gehört der Gemeinde - und nicht Landwirten, die sich in der Vergangenheit gerne mal gegen Tribünen jeglicher Art auf ihrem Grund gewehrt hatten. "Unsere Einwohner sind immer vorsichtig, wenn es um Neuerungen geht", sagte Meierhofer, aber der Ort wisse um die WM 2011 - "und das war ein großartiges Fest". Jeder habe seinen Teil beigetragen, "der Verkehr war kein Problem, die Leute sind Bus gefahren, obwohl sie noch nie einen Bus von innen gesehen haben", sagte Meierhofer. Jeder halt so, wie er kann.

Wolfgang Maier gab später freilich zu bedenken, dass die schönsten Pläne oft nur bedingt helfen: Bei vielen der 17 Council-Mitglieder im Ski-Weltverband Fis würden "am Schluss ganz andere Themen den Ausschlag geben". Er nannte die österreichischen Mitbewerber als Beispiel, die "politisch deutlich besser" vernetzt seien. Der mächtige Österreichische Skiverband könne Skigebiete leichter freigeben, er verfüge über Know-how in der Seilbahnbranche und bei der Beschneiung, da sei Deutschland "nicht präsent". Man stelle zwar den noch wichtigeren Markt, was TV-Quoten und Sponsoren betreffe, aber das habe man schon bei der 2011er-Bewerbung herausgestellt, sagte Maier. Damals gewann sie trotzdem nur knapp gegen Schladming, das sich das erste Mal beworben hatte, während Garmisch zum wiederholten Mal Anlauf nahm. Mitte Mai sind die Deutschen nun erstmals wieder Kandidat, im Gegensatz zu Saalbach. "Man weiß aus der Erfahrung, dass man sich ein zweites oder drittes Mal bewerben muss", sagte Maier nun. Das würde der DSV auch befürworten, sollte es diesmal nichts werden.

Und noch ein Problem wabert womöglich im Hintergrund. Vor acht Jahren war ein Streit um die Kosten des Garmischer Weltcups entbrannt, DSV-Abfahrer Stephan Keppler beklagte mangelnden Rückhalt in der Gemeinde ("Sie wollen uns hier einfach nicht haben"). Der damalige DSV-Präsident Alfons Hörmann drohte gar, Garmisch den Weltcup zu entziehen. Der Streit wurde beigelegt, zumindest öffentlich - aber der Ruf war erst einmal befleckt.

Am Wochenende berichtete die Kronen Zeitung, ein Partner des österreichischen Skiverbands, genüsslich über akute Organisationspannen. Menschen seien auf dem vereisten Parkplatz am Wochenende gestürzt; "Saalbach wird's freuen", hieß es. Der Wahlkampf ist eröffnet.

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SZ vom 04.02.2020
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