Süddeutsche Zeitung

Brasiliens Marta:Eine der Lautesten im Kampf um Gerechtigkeit

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Von Anna Dreher, Grenoble

Marta Vieira da Silva ging weit zurück, bis hinter die Strafraumgrenze. Noch niemand hatte in diesem Spiel bisher ein Tor geschossen. Und noch niemand hatte erreicht, was Marta gleich erreichen würde. Der Ball lag in der 74. Minute am Elfmeterpunkt bereit. Marta atmete tief durch, rannte los, packte all ihre Entschlossenheit in diesen einen Schuss und der Ball flog in der 74. Minute flach ins untere rechte Eck.

So sah es also aus, dieses historische Tor der Fußballerin aus Brasilien. Dass es gegen Italien auch den Einzug ins Achtelfinale dieser Weltmeisterschaft sicherte, wo entweder Gastgeber Frankreich oder Deutschland als nächste Gegner warten, ist danach weniger Thema gewesen: Als erste Person überhaupt hat Marta nun 17 Tore bei einer WM geschossen.

Seit 2014 hatte der frühere deutsche Nationalspieler Miroslav Klose mit seinen 16 Treffern den Rekord gehalten, dahinter reihen sich Ronaldo (15), Gerd Müller, Birgit Prinz und Abby Wambach (jeweils 14) ein. Nun steht an der Spitze dieser Statistik also seit Dienstag Marta, eine der erfolgreichsten und prägendsten Fußballerinnen der Welt. "Meinen Sie, er ändert seine Meinung zu seinem Rücktritt und wird bei der nächsten WM wieder mitspielen?" fragte sie einen Reporter, grinste, und wurde später wieder ernster: "Rekorde aufzustellen kommt ganz natürlich, wenn man sein Bestes gibt, mit Liebe. Ich habe auf diesen Moment gewartet. Gerade durchbrechen wir viele Barrieren, und dieser Rekord repräsentiert viel. Er gehört nicht mir, er gehört uns allen. Ich teile ihn mit jedem, der für mehr Gerechtigkeit kämpft."

Marta hat noch mehr Bestmarken aufgestellt

Die 33-Jährige ist sechsmalige Weltfußballerin - Cristiano Ronaldo und Lionel Messi gewannen die Trophäe jeweils fünf Mal. Auch hier hat Marta, die seit 2004 bei dieser prestigeträchtigen Wahl elfmal in Serie unter die besten drei Spielerinnen gewählt wurde, eine neue übergreifende Bestmarke aufgestellt. Sie gewann unter anderem den Uefa-Pokal, fünf Mal die schwedische Meisterschaft, zwei Mal die Copa Libertadores Femenina, 2004 und 2008 Silber bei den Olympischen Spielen und verlor bei der WM 2007 erst im Finale gegen Deutschland.

Aber die bei Orlando Pride in der US-amerikanischen Profiliga unter Vertrag stehende Stürmerin ist trotz dieser beeindruckenden Sammlung keine, die ihre Aufgabe ausschließlich in der Jagd nach dem Ball und nach Titeln sieht. Sie ist eine der lautesten Fußballerinnen im Kampf um Gerechtigkeit und Chancengleichheit - und damit nicht nur mit ihrer außergewöhnlichen Ballbehandlung eine Inspiration für andere.

Als sie den Rekord von Klose beim 2:3 gegen Australien vergangenen Donnerstag eingestellt hatte, war sie zugleich der erste Mensch, der bei fünf WM-Endrunden getroffen hat. Direkt nach ihrem Tor zeigte Marta auf ihren Schuh. Seit Juli 2018 hat sie keinen persönlichen Ausrüster mehr, weil sie jegliche Angebote ablehnt. Zu groß ist ihr der Unterschied in der Wertschätzung, der sich auch deutlich bei der Honorierung zeigt. Und so ist auf ihren Fußballschuhen kein Logo von einem der großen Sportartikelhersteller zu sehen. Sie hat sich zwei Streifen angeklebt, die entgegengesetzt von Blau in Rosa übergehen - als Zeichen des Protests.

"Das war ein Tor für alle Frauen", sagte Marta am Dienstag: "Es geht um die Rolle der Frau in allen Bereichen. Es geht nicht nur um Sport. Das ist ein Kampf für die Gleichberechtigung auf allen Ebenen." Mindestens ein Spiel hat sie bei dieser Weltmeisterschaft noch, um sich mit weiteren Toren dafür einzusetzen - vielleicht ja sogar mit dem Titel.

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