Süddeutsche Zeitung

Frankreich bei der Fußball-WM:Klassischer Fall von zu früh gefreut

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Der französische Verband legt Protest gegen das Tunesien-Spiel ein. Unterdessen ist Bayern-Profi Pavard der große Verlierer der Gruppenphase bei den Franzosen - sogar sein Coach kritisiert ihn.

Von Stefan Galler

Bixente Lizarazu ist derzeit, wenn man so will, Frankreichs Sandro Wagner. Der frühere Bayern-Profi kommentiert als Experte beim französischen TV-Sender TF1 die Livespiele der Équipe tricolore während der WM in Katar. Auch am Mittwochnachmittag, als Antoine Griezmann in den letzten Sekunden der Nachspielzeit den vermeintlichen 1:1-Ausgleich gegen Tunesien erzielte und Lizarazu den fast neun Millionen Landsleuten an den Fernsehgeräten tief zufrieden sein Fazit in die Wohnstuben sandte: "Es fühlt sich gut an, dass es so endet."

Dann ging es schnurstracks ab in die Werbung - und als der frühere Nationalspieler wieder live drauf war, blickten er und seine Kollegen ziemlich zerknittert in die Kameras. Das Tor war nach Spielende infolge einer Intervention des Videoassistenten annulliert worden, und der personell durchgemixte Titelverteidiger hatte sein letztes Gruppenspiel verloren - die erste Niederlage für "Les Bleus" seit dem Viertelfinal-Aus gegen Deutschland 2014 (0:1).

Mittlerweile ist es offiziell, dass der französische Fußballverband FFF Protest gegen die Spielwertung eingelegt hat, weil die Entscheidung erst nach Abpfiff fiel. Dabei ist es keineswegs die erste dieser Art. Man denke nur an die Bundesligapartie zwischen Freiburg und Mainz im April 2018, als die Spieler lange nach dem Halbzeitpfiff sogar aus der Kabine zurück auf den Platz beordert werden mussten, weil der VAR mit Verspätung ein elfmeterreifes Foul entdeckt hatte. Am Ausgang der Gruppe ändert sich in keinem Fall mehr etwas, ganz egal, wie über den Einspruch entschieden wird. Frankreich ist und bleibt Gruppensieger, Tunesien scheidet aus.

Nun ist dieses aberkannte Tor nicht der einzige Aufreger rund um die Franzosen auf ihrer Mission Titelverteidigung. Ein weiterer betrifft die Personalie Benjamin Pavard, der noch 2018 einer der aufgehenden Sterne im Team gewesen ist und nun, nach seinem Fehler im Auftaktmatch gegen Australien vor dem zwischenzeitlichen 0:1 (Endstand 4:1), in den Planungen von Nationaltrainer Didier Deschamps offenkundig keine Rolle mehr spielt.

Pavard sitzt bei Frankreich nur auf der Bank in Katar

Beim 2:1-Erfolg gegen Dänemark und selbst jetzt beim unbedeutenden Spiel gegen Tunesien, in dem Deschamps vielen Reservisten Spielzeit gewährte, schmorte der Bayern-Verteidiger auf der Bank. Auch intern soll es rumoren, so hat laut der Sportzeitung L'Équipe Ousmane Dembélé über Pavards fehlendes spielerisches Niveau gelästert.

Coach Deschamps äußerte sich nach dem Tunesien-Spiel über den 26-Jährigen deutlich undiplomatischer, als er das in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen tat: Pavard sei "in keiner guten Verfassung", er wisse aber nicht, ob dies körperliche oder mentale Gründe habe. "Offensichtlich hat ihm das erste Spiel nicht geholfen, deshalb haben wir jetzt eine andere Wahl getroffen", so Deschamps weiter.

Pavard hatte vor der WM mehrmals betont, dass er in der Nationalelf gerne in der zentralen Deckung spielen würde und nicht auf der rechten Seite. Nach gegenwärtigem Stand wäre es dem Nordfranzosen vermutlich ziemlich egal, wo, Hauptsache, er darf überhaupt noch mittun.

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