Süddeutsche Zeitung

Fußball-Regionalliga:Höher als der Monte Kaolino

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Gebenbach ist ein Dorf in der Oberpfalz. Seine Fußballer und ihr Fan, der Pfarrvikar, machen es gerade berühmt: Die örtliche DJK nimmt an der Aufstiegsrunde zur Regionalliga teil.

Von Thomas Gröbner

Gerade jetzt, da sich die Gebenbacher nach einem Wunder sehnen, fehlt der Pfarrvikar Christian Preitschaft. Er ist nicht wie sonst dabei, wenn Trainer Faruk Maloku die Videoschnipsel zeigt, die Niederlage gegen Rain analysiert, und die Mannschaft einschwört. Der Vikar, der meist im grünen Gebenbach-Trikot über dem weißen Priesterkragen am Spielfeldrand steht und die Nummer acht auf dem Rücken trägt, ist unterwegs, auf Fußwallfahrt nach Altötting. Ob man für den Aufstieg in die Regionalliga beten darf? "Natürlich. Das mach' ich, sehr intensiv."

Aber über Wunder im Fußball mag Preitschaft, 42, nicht so gerne reden. "Es schaffen ja die Spieler", sagt er am Telefon. Gottes Beitrag falle dabei gering aus.

Tatsächlich ist es eine ungewöhnliche Geschichte, egal wie das Spiel in Rain am Lech am Samstag ausgehen mag. Gebenbach, ein Dorf in der Oberpfalz nördlich von Regensburg, 600 Einwohner, 600 Mitglieder im Sportverein, hat die Chance, in die vierte Liga aufzusteigen, die Liga an der Schwelle zum Profifußball. Aber weil die Ausgangslage schlecht ist für das Relegationsrückspiel nach der 0:2-Heimniederlage im Hinspiel, ist in Gebenbach mehr Glaube als Hoffnung da.

Wer wissen will, warum dieses Dorf so erfolgreich Fußball spielt, der landet schnell bei Unternehmer Franz Wittich. Etwa 100 Angestellte hat seine Firma, davon sind zwanzig Fußballer der DJK Gebenbach. Wittich ist Teamleiter der ersten Mannschaft, sein Firmenname steht auch auf den Trikots, er schwärmt von seinem kickenden Personal, "Top-Mitarbeiter", viel Disziplin. "Sie bekommen eine berufliche Chance - und wir nutzen das Sportliche", so hatte er das Tauschgeschäft in der Amberger Zeitung einmal erklärt, und "der Fußball ist mit meiner Firma gewachsen." Aber mittlerweile wird es ihm fast schwindelig: "Wir sind so weit oben, viel weiter kann es nicht mehr gehen. Wir sind am Zenit." Wie sich dieser kleine Verein das alles leisten könne, Bayernliga, vielleicht Regionalliga? Einen Mäzen gebe es nicht, sagt Wittich: "Es gibt viele Mäzene." Ein Beispiel: Für die Erweiterung der Tribüne rücken die Maschinen der nahen Baggerfirma an, "wir zahlen nur den Diesel", sagt Wittich. In der Kabine steht eine Sauna, "Wohlfühlprogramm" gebe es für die Spieler, die nur mit dem Handtäschchen ankommen müssen, weil der Papa des Torwarts alles besorgt, erzählt Wittich. "Sogar das Shampoo wird gestellt."

Gebenbach ist ein Postkartenidyll, es gibt eine Blaskapelle und eine Freiwillige Feuerwehr, und am Samstag nach der Entscheidung geht es für die Spieler zum 30. Jubiläum des Stopselclubs. Das ist ein Verein, dessen Sinn darin besteht, dass alle Mitglieder einen Stöpsel mit sich führen. Es wird gegrillt auf dem Mausberg, wo in Gebenbach immer gefeiert wird, ob Hochzeit oder Aufstieg. Die Leute sind stolz, den Ort auf die bayerische Fußballlandkarte gebracht zu haben. Gegen Rain waren fast 1500 Zuschauer in Gebenbach.

Immer, wenn Wittich gefragt wurde, wo dieses Gebenbach denn eigentlich liege, dann hat er bisher gesagt: in der Nähe des Monte Kaolino. Ein 120 Meter hoher Berg aus Quarzsand, der sich wie ein weißer Vulkan zwischen den Bäumen und Wiesen hebt und dem man im Sommer mit Skiern hinabwedeln kann. Den kannten dann die meisten. Mittlerweile, so erzählt es Wittich stolz, würde man die Gegend auch mit dem Namen des erstaunlichen Bayernligisten verbinden. Und trotzdem: "Wir sind hier ein vergessener Fleck." Die Arbeitslosenquote ist niedrig in der Region, viele kleine Firmen gibt es hier, die man früher "Start-Up" genannt hätte, wenn es den Begriff schon gebraucht hätte. Auch Wittich hat mit seiner Firma für Fertigungstechnik in der Garage begonnen. Er redet gerne über Bescheidenheit, er freut sich aber auch über Neid: "Das ist die höchste Form der Anerkennung." Über die Menschen, die über seinen Verein reden, sagt er: "50 Prozent sind Fans, 50 Prozent sind Neider".

"Wir werden definitiv nicht auseinanderfallen", sagt Teamleiter Wittich

Der Gebenbacher Aufschwung fällt in eine Zeit, in der Vereine in der Region schlechte Erfahrungen mit Mäzenatentum und schnellen Erfolgen gemacht haben. Der FC Amberg aus der Nachbarstadt ist nach seinem Aufstieg in die Regionalliga umgehend wieder abgestiegen und hat sich freiwillig in die Bezirksklasse zurückgezogen, die Spielvereinigung Weiden musste 2010 in der Regionalliga Insolvenz anmelden, als der Hauptsponsor die Zahlungen einstellte. Das Team spielt jetzt als SpVgg SV Weiden in der Landesliga. "Ein Vakuum" sei da entstanden, in das die DJK Gebenbach gestoßen ist, sagt Wittich. Der Klub ist mittlerweile der beste Fußballverein der Oberpfalz hinter dem Zweitligisten Jahn Regensburg. "Die Regionalliga ist eine Pleiteliga, aber nur für die großen Vereine", sagt er. "Wir werden definitiv nicht auseinanderfallen, so oder so." Für 2021 hätten fast alle Spieler zugesagt, erzählt er, per Handschlag natürlich, ein "Gentleman's Agreement halt".

Christian Preitschaft, der Vikar, wird auch weiterhin da sein. Die Nähe des Geistlichen ist quasi in die Satzung der DJK eingeschrieben. Die DJK, Deutsche Jugendkraft, ist ein katholischer Sportverein, im Vorstand ist ein Geistlicher Beistand vorgesehen. Und so ist Preitschaft während der Saison immer dienstags im Vereinsheim, wenn es erst Pasta und dann die Videoanalyse gibt. Kommt er zu spät, dann schleicht er hinein, er möchte dann nicht stören, wenn Trainer Maloku redet. "Manchmal hören sich seine Ansprachen an wie eine Predigt", sagt er. "Woher man Kraft ziehen kann, wie man Ruhe findet - richtig tiefsinnig."

Preitschaft ist auch meistens donnerstags da, wenn die Mannschaft sich auf den nächsten Gegner einstellt. Ob es gegen Rain reichen wird, daran zweifelt auch er. "Die Verletzten fehlen sehr." Vielleicht könne der eine oder andere noch genesen, hofft der Vikar. "Ich schließe es in mein Gebet ein."

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Quelle:
SZ vom 08.06.2019
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