Süddeutsche Zeitung

Fußball in Spanien:Warum sich der FC Valencia an Euro-Eddy erinnert

Lesezeit: 2 min

Von Javier Cáceres

Der deutsche Nationalspieler Shkodran Mustafi zählt schon länger zu den beliebteren Angestellten des spanischen Erstligisten FC Valencia. Dessen Anhänger rühmen nicht nur den Wagemut des Weltmeisters von 2014, sondern auch seine rasche Integration. Mustafi, 23, vermag es, sich sehr gewählt auf Spanisch auszudrücken, was den Anhängern des Champions-League-Finalisten von 2001 unter anderem auch deshalb geläufig ist, weil Mustafi sich auch dann nicht wegduckt, wenn fußballerische Enttäuschungen verbal aufzuarbeiten sind.

Am Mittwochabend, in den Katakomben des Camp Nou des FC Barcelona, war Mustafi auch unter den wenigen Spielern des FC Valencia, die nach einer monumentalen Pleite im Hinspiel des spanischen Pokal-Halbfinales noch Gesicht zeigen wollten. 0:7 hatten sie bei Barça verloren, und Mustafi war es, der die Empfindungen der Belegschaft seines Klubs in die drastischsten Worte kleidete. "In der Kabine fühlen sich alle scheiße", sagte die Defensivkraft - und bat die Anhänger des sechsmaligen spanischen Meisters und siebenmaligen Pokalsiegers leise um Vergebung.

Die Entschuldigung war durchaus angebracht. Man muss in den Jahrbüchern Valencias schon bis zum November 1993 zurückblättern, um ein ähnlich desaströses Ergebnis zu entdecken. Seinerzeit hatte der FC Valencia im Sechzehntelfinale des Uefa-Cups das Karlsruher Wildparkstadion besucht und - als Spitzenreiter der spanischen Liga - ebenfalls eine 0:7-Pleite kassiert; der wenig später als "Euro-Eddy" glorifizierte Edgar Schmitt erzielte vier Tore. Der damalige Valencia-Trainer und heutige Coach des englischen Erstligisten FC Chelsea, der Niederländer Guus Hiddink, musste wenig später gehen.

Valencias aktueller Trainer, der frühere englische Nationalspieler und Manchester-United-Profi Gary Neville, dürfte bald das gleiche Schicksal erleiden. Denn seit sich Neville Ende 2015 von Valencias Klubeigner Peter Lim, einem Milliardär aus Singapur, überreden ließ, in der ihm unbekannten spanischen Liga als Trainernovize und Nachfolger des Portugiesen Nuno Espírito Santo anzuheuern, hat sich Neville als perfekte Fehlbesetzung erwiesen.

In acht Ligaspielen hat Neville noch keinen Sieg sichern können; im Pokal überlebte er gegen eklatant schlechtere Teams wie Barakaldo, Granada und Las Palmas. Es sei "jetzt nicht der Moment, Entscheidungen zu treffen", stammelte Valencias Sportdirektor Jesús García Pitarch nach dem 0:7. Doch diese Zurückhaltung hat vor allem damit zu tun, dass Neville und Lim nicht nur Geschäftspartner, sondern auch Freunde sind. Andererseits: Valencia ist nur noch fünf Punkte von den Abstiegsrängen entfernt - und in einem abenteuerlich desolaten Zustand.

Abzulesen war das unter anderem an einem von 60 000 Zuschauern ausgiebig bejohlten Spielzug beim Stand von 0:2. Da nämlich wurde vier (!) Spielern des FC Valencia der Ball durch die Beine geschoben, ehe Mustafi intervenieren und der kollektiven Schmach ein Ende setzen konnte. Überhaupt war Mustafi "der Einzige in der desolaten Elf des FC Valencia, der etwas zustande brachte", wie das Lokalblatt Levante  urteilte.

Zwar fehlt Mustafi seit dem Verkauf des argentinischen Nationalspielers Nicolás Otamendi (seit Sommer bei Manchester City) ein vernünftiger Partner in der Innenverteidigung, seine Leistung ist ebenfalls deshalb unter Vorjahresniveau.

Doch wie elementar Mustafi für Valencias Abwehr ist, wurde deutlich, als er kurz vor der Halbzeit nach einem lachhaften (und von Barcelonas Neymar verschossenen) Elfmeter vom Platz gestellt wurde. Zwar hatte Barças Mittelstürmer Luis Suárez da schon die ersten beiden seiner vier Tore erzielt (6./11./82./87. Minute), mit denen er auf den "Euro-Eddy"-Spuren wandelte. Valencia brach aber erst ohne Mustafi zusammen. Die restlichen drei Tore steuerte übrigens Lionel Messi bei (28./58./74.).

Was aus Valencias Blamage folgt, ist derweil ein großes Rätsel. Vorerst hat Neville einen Rücktritt ausgeschlossen. Im Team freilich hat er keinen Rückhalt mehr, weil er die Hierarchie durcheinander geworfen hat. Schlüsselakteure wie Spielmacher Dani Parejo hat er ohne Not desavouiert, den Goalgetter Álvaro Negredo völlig verunsichert.

Am Wochenende trifft Valencia auf den Abstiegskandidaten Betis Sevilla, kommende Woche wird Barça zum Rückspiel nach Valencia reisen. Von sportlichem Interesse ist das nach dem 0:7 nicht mehr, es könne nur noch um einen Versuch der Wiedergutmachung gehen, sagt Mustafi: "Wir müssen aufstehen.

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SZ vom 05.02.2016
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