Süddeutsche Zeitung

Frankreich im EM-Finale:Griezmanns Hotline ist besetzt

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Ist er nun der Allergrößte? Im Finale stört Portugal die Laufwege des französischen Stürmers empfindlich. Die EM endet für Griezmann tragisch.

Von Thomas Hummel, Saint-Denis

Eigentlich war Antoine Griezmann schon vor dem Endspiel der Allergrößte gewesen. Der Sieg gegen Deutschland hatte ihn in den höchsten Adelsstand des französischen Fußballs erhoben. Nach der Generation Platini 1984 und der Generation Zidane 1998 würde nun die Generation Griezmann zu Hause einen großen Titel gewinnen. Denn was sollte schon schiefgehen? Wer den Deutschen zwei Tore serviert, der würde wohl mit Portugal kein Problem haben.

Es ging schief. Die Generation Griezmann verlor dieses Finale im heimischen Stade de France 0:1 nach Verlängerung.

Griezmann hatte gleich nach dem Halbfinale schon gewarnt: "Wir müssen unsere Füße auf dem Boden halten." Während sich Frankreich tagelang auf den nächsten Telefon-Jubel freute. Er feierte seine Tore bei dieser EM mit ausgestrecktem Daumen und kleinem Finger, die einen Telefonhörer symbolisieren. Eine Hommage an den kanadischen Rapper Drake und dessen Lied "Hotline Bling".

Carvalho passt bestens auf Griezmann auf

Nach zehn Minuten hätte er fast den Hörer abgehoben. Ein weiter Pass von Dimitri Payet segelte in den Strafraum, Griezmann verlängerte per Kopf, Torwart Rui Patricio lenkte den Ball mit letzter Streckung über die Latte. Der 25-Jährige feuerte daraufhin das Publikum an, die nötige Stimmung zu schaffen. Doch zunächst kam nicht mehr viel.

Griezmann versuchte wie in den Partien zuvor, zwischen Mittelfeld und Abwehr des Gegners an den Ball zu kommen, um dann mit Anlauf in die Sturmmitte zu drängen. Trainer Fernando Santos hatte aber gut aufgepasst und diese Spielweise durchschaut.

Besonders der schnauzbärtige William Carvalho nahm den Laufweg gewissenhaft auf und störte empfindlich. Griezmann blieb meistens hängen, und wenn er mal Tempo aufnahm, kam der Pass nicht an. Die Strategie der Portugiesen war klar: Kontrolle über Griezmann.

Weil sich aber alles sehr auf ihn konzentrierte, hatten stattdessen andere viel Raum. Vor der Pause Moussa Sissoko, was der stämmige Athlet zu einigen Kraftsprints mit Ball nutzte. Als Cristiano Ronaldo vom Platz getragen wurde, fehlte Griezmann eigentlich der gleichwertige Gegner. Die Berichterstatter in Frankreich hatten das Endspiel ja zu einem Duell zugespitzt. Hier der Stürmer von Real, dort der Stürmer von Atlético. Doch nun sah er Ronaldo weinen. Wer sonst außer Griezmann sollte nun dieses Spiel entscheiden? Der künftige Weltfußballer, wie L'Équipe meinte.

Wie gewohnt lief er viel in der Defensive, trotz seiner feinen Füße kommt er ja fast immer auf die höchste Kilometerzahl. Was anderes würde sein Trainer bei Atlético, Diego Simeone, auch nicht akzeptieren. Nach der Pause veränderte er ein wenig sein Spiel, baute es noch weiter hinten auf, um mit langen Sprints vor dem Tor aufzutauchen. Nach 65 Minuten durfte er freistehend am Fünfmeterraum köpfeln. Es war die Gelegenheit ewigen Ruhms. Der Ball flog vorbei. Wieder kein Telefon.

Gignac trifft nur den Pfosten

Der Vorteil für Frankreich war, dass es nicht allein auf Griezmann angewiesen war bei dieser EM. Kingsley Coman kam, der schnellste Dribbler von München, und veranstaltete gleich einen ordentlichen Wirbel. Olivier Giroud versuchte es, Sissoko knallte den Ball mit Gewalt Richtung Tor. André-Pierre Gignac traf den Pfosten. Anthony Martial, der 80-Millionen-Mann aus Manchester, kam auch noch.

Doch das Tor schoss dann Eder. Portugals Stürmer, der zuletzt von seinem Klub Swansea City zum OSC Lille ausgeliehen wurde. Und der garantiert kein Weltfußballer wird.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2016
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