Süddeutsche Zeitung

Formel 1:Tausche neu gegen alt

Lesezeit: 3 min

Der Automobil-Weltverband FIA will, dass die Rennwagen ab 2006 nur noch von Acht- statt von Zehnzylinder-Motoren angetrieben werden. Das soll Kosten sparen und so mehr Teams in den Rennzirkus locken. Doch viele fühlen sich durch das Motoren-Wirrwarr verschaukelt.

René Hofmann

In der Formel 1 werden die spannendsten Duelle immer öfter hinter den Kulissen ausgetragen. Seit Jahren ringen die großen Autokonzerne, die sich in der Serie engagieren, nun schon mit dem Automobilweltverband Fia und dem Vermarkter Bernie Ecclestone, nach welchen Regeln künftig gespielt werden, und wer dabei wie viel verdienen soll. Bislang verdient Ecclestone am besten. Und die Regeln erlässt die Fia. Deren Präsident heißt Max Mosley, und der hat im Jahr 2004 entschieden: Damit die Raserei billiger wird und wieder mehr Teams daran teilnehmen, sollen ab dem Jahr 2006 Acht- statt Zehnzylinder-Motoren die Wagen antreiben. Das spare zwanzig Prozent der Material-Kosten, so die leicht nachvollziehbare Rechnung des obersten Regelhüters.

Die Motoren-Bauer mahnten schnell: Ganz so einfach und billig dürfte es nicht werden. Denn schließlich müssen neue Motoren erst einmal entwickelt werden. Und das kostet Geld. BMW, Honda und Mercedes erwogen, gegen den Ad-hoc-Stil, in dem Mosley die Regel änderte, zu klagen. Am Ende ließen sie es bleiben, weil sie für die Dauer des Verfahrens gleich zwei parallele Entwicklungsprogramme zu horrenden Kosten hätten finanzieren müssen.

Verwunderte Ingenieure

Für die Teams, die sich schon eine Neuentwicklung nicht leisten können, erließ Mosley eine Sondergenehmigung. Sie dürfen auch 2006 mit den bisher gängigen Zehnzylinder-Modellen antreten. Allerdings werden die so gedrosselt, dass sie keine Siegchancen haben. Wer gewinnen will, muss mit einem Achtzylinder fahren, versprach Mosley. Daraufhin kehrte Ruhe ein. Die Ingenieure zogen sich zum Rechnen zurück. Im Sommer zündeten die ersten Achtzylinder. Und siehe da: Sie waren rund 200 PS schwächer, pro Runde gut zwei Sekunden langsamer und in der Herstellung tatsächlich um einiges billiger als die alten Aggregate. Alles schien glatt zu laufen.

Bis vor einigen Wochen die Fia ein Papier mit den präzisen Angaben schickte, wie sie die alten Zehnzylinder zu drosseln gedenke. Der Spalt, durch den sie Frischluft saugen, wird auf 77 Millimeter, die maximal erlaubte Drehzahl elektronisch auf 16700 Umdrehungen/Minute begrenzt.

Die meisten Spezialisten rieben sich verwundert die Augen, als sie die Zahlen sahen. So gedrosselt sind die alten Motoren den neuen überlegen. Und zwar in allen Belangen. Am Start. Beim Beschleunigen. Und vor allem in der Zuverlässigkeit. Ein Jahr lang hatten die Tüftler viel Mühe darauf verwandt, den neuen Maschinen ihren Hang zum Vibrieren abzugewöhnen und ihnen genug Kondition für zwei Rennen beizubringen. Die alten Triebwerke schaffen das leicht. Wenn die Regel so bliebe, müsse man sich überlegen, mit den alten Motoren anzutreten, sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Gut 50 PS mehr bringen die, schätzt sein Pendant bei BMW, Mario Theissen. Eher mehr, schätzt Haug. Laut Kritik wollen beide trotzdem nicht üben.

Pi mal Daumen, ungeprüft

Zustande gekommen sind die Werte recht kurios. Weil die Fia keine eigenen Spezialisten beschäftigt, fragte sie bei der Firma nach, die über einige Erfahrung sowohl beim Bau von Acht- wie auch von Zehnzylinder-Motoren verfügt: Cosworth. Die Vorschläge der Briten wurden dann offenbar übernommen, ohne noch einmal nachzurechnen. Zwar hat sich die Fia vorbehalten, die Werte zu ändern, wenn sich herausstellt, dass die alten Motoren den neuen überlegen sein sollten. Ob das allerdings noch vor dem ersten Rennen am 12. März in Bahrain geschieht, ist fraglich.

Bei den anstehenden Testfahrten wollen die Teams ihre neuesten Kreationen ausprobieren. Aussagekräftige Vergleiche zwischen alt und neu werden kaum zu bekommen sein, weshalb damit zu rechnen ist, dass die Squadra Toro Rosso mit einem Vorteil in die Saison starten darf. Das Team, das bisher Minardi hieß, ist das einzige, das auf den Zehnzylinder setzt. Dem Rennstall fehlte lange das Geld, um sich zeitgemäße Technik leisten zu können. Seit ihn der österreichische Getränke-Produzent Dietrich Mateschitz kaufte, hat er das Problem nicht mehr. Als Mateschitz im September einstieg, war es aber schon zu spät, um noch an neue Motoren zu kommen.

Der vermeintliche Nachteil könnte sich nun als Vorzug entpuppen. Die Squadra soll das Material ausführen, das Mateschitz' zweites Team in diesem Jahr einsetzte. Unter den derzeit gültigen Regeln wären die Gebrauchtwagen von Red Bull durchaus für einen Podiumsplatz gut, was wiederum vor allem die Flitzer der Konzerne äußerst schlecht aussehen ließe. Zufällig basteln die gerade immer noch eifrig an einer Drohkulisse; die Aussicht auf eine Konkurrenzserie soll Mosley und Ecclestone zwingen, einen Teil ihres Einflusses und ihres Einkommens abzugeben. Mateschitz dagegen hat den Machthabern längst bis 2012 Treue geschworen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.884084
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.11.05
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.