Süddeutsche Zeitung

Fifa:Warten auf Claudia Rojas

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Nach dem Schweizer Strafverfahren gegen Fifa-Chef Infantino müsste nun auch die Ethikkommission des Verbandes tätig werden. Doch die scheint nicht mehr so unabhängig und stark zu sein, wie sie einmal war.

Jetzt liegt alles in den Händen von Maria Claudia Rojas. Leitet die kolumbianische Juristin ein Ethikverfahren gegen den mächtigen Fifa-Boss ein? Mindestens genauso, wie das am Donnerstag öffentlich gewordene Strafverfahren der Schweizer Justiz gegen ihn, muss Gianni Infantino, 50, die Ermittlungen im eigenen Haus fürchten. Wenn sich Rojas Einblick in die Akten verschafft hat, könnten für Infantino Untersuchungen seitens der Fifa-Ethiker folgen - plus Suspendierung. So war es immerhin 2015, als Infantinos Vorgänger Sepp Blatter ein Strafverfahren am Hals hatte - und aus dem Verkehr gezogen wurde.

An der Spitze der Ethikkommission waren damals allerdings andere Kaliber tätig: Der Münchner Strafrichter Hans-Joachim Eckert, Chef der rechtsprechenden Kammer, war es schließlich, der Blatter sperrte. Auch Rojas' Vorgänger als Chef der Ermittlungskammer, Cornel Borbely, galt als konsequent - man darf annehmen, dass Infantino deshalb beide 2017 abgesetzt hat. Inzwischen stellen Beobachter eine große Nähe zwischen Infantino und der offiziell unabhängigen Kommission fest. Anfragen an die Kommission laufen tatsächlich über die Fifa-Pressestelle, ein Vertrauter Infantinos begleitet die Verfahren. Dass Rojas keine der offiziellen Fifa-Sprachen beherrscht, also Englisch, Französisch oder Deutsch, macht die Sache auch nicht leichter. Und die Statuten? Im Ethikreglement der Fifa ist eine Suspendierung im Falle von strafrechtlichen Ermittlungen tatsächlich nur eine "Kann"-Bestimmung, wie Fifa-Leute zuletzt auffällig oft hervorhoben. Allerdings wäre es schon eine eklatante Abweichung von allen Gepflogenheiten der letzten Jahre, bliebe Rojas untätig.

Die Schweizer Staatsanwaltschaft hatte das Strafverfahren gegen Infantino am Donnerstag eröffnet. Auch gegen einen Schulfreund Infantinos, den Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold, wird ermittelt. Der bisherige Chefankläger der Schweiz, Bundesanwalt Michael Lauber, soll seine Immunität verlieren, damit gegen ihn ebenfalls ein Verfahren eröffnet werden kann. Hintergrund sind nicht dokumentierte Geheimtreffen von Infantino, Lauber sowie Vertrauten.

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SZ vom 01.08.2020 / SZ, sid
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