Süddeutsche Zeitung

Geisterspiele im Fußball:Obacht bei der Kulissenwahl!

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Beim Versuch, sein leeres Stadion aufzuhübschen, greift der FC Seoul mit der Wahl von Sexpuppen daneben. Ob das ein Witz sein soll? Kommt drauf an, wer welchen Humor hat.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Pandemie verzeiht keine Nachlässigkeiten. Den Fußballschaffenden von Borussia Mönchengladbach sei deshalb zugerufen: Richten Sie Ihre Sorgfalt vor der Samstagspartie gegen Bayer Leverkusen nicht nur auf das Offensichtliche! Sehen Sie nicht nur zu, dass die Schutzmasken richtig sitzen! Dass die Abstandsregeln neben dem Spielfeld eingehalten werden! Dass die Profis beim Torjubel die Hygienevorgaben beachten! Sondern prüfen Sie auch noch mal die über 12 000 Pappkameraden, welche während der Partie die leeren Ränge schmücken sollen! Erfüllen besagte Pappkameraden die Anforderungen des Jugendschutzes? Sind Form und Gestaltung der Kameraden im Einklang mit den Werten der Gleichstellung?

Ob das ein Witz sein soll? Kommt drauf an, wer welchen Humor hat. Der südkoreanische Erstligaklub FC Seoul lacht über solche Hinweise bestimmt nicht mehr nach seinem jüngsten Versuch, dem zuschauerlosen Anti-Coronavirus-Spielbetrieb mit einem Arsenal von Sexpuppen etwas Stimmung abzutrotzen. Eine Geldstrafe von 100 Millionen Won (rund 74 000 Euro) muss der Hauptstadt-Klub an die K-League zahlen wegen der rufschädigenden Aktion.

Schmierige Geschmacklosigkeit ist der Anfang des Sexismus

Weibliche Fans beschwerten sich. Und weltweit wird der FC Seoul wohl von nun an in Erinnerung bleiben als der Klub, der Schaufensterpuppen nicht von Erwachsenen-Spielzeug unterscheiden konnte. Das war nämlich die Entschuldigung der Kluboberen: Man habe auf gewisse Details nicht geachtet, welche züchtige von nichtzüchtigen Puppen unterscheiden.

Wenn man sich die Plastik-Zuschauerinnen in ihren Sportklamotten genauer ansieht, stellt man allerdings fest, dass diese Details recht ausgeprägt sind. Wer sie übersieht, ist entweder blind oder von irgendeiner Verzückung benebelt. Und selbst wenn Verwechslungsgefahr bestanden hätte: Wie kann man es für eine gute Idee halten, die Tribüne hauptsächlich mit kurvigen, bunthaarigen Kunststoffkameradinnen zu besetzen? Schmierige Geschmacklosigkeit ist der Anfang des Sexismus. Geht gar nicht.

Obacht bei der Kulissenwahl - das sollte man auch in Mönchengladbach aus dem Seouler Fehlgriff lernen. Immerhin, der dortige Pappkameraden-Ansatz ist sehr viel sympathischer. Ein Fan-Projekt kam darauf, dass Stadionstammgäste für 19 Euro eine Zuschauerattrappe mit ihrem Foto aufstellen lassen könnten. Einige Borussia-Spieler machen auch mit, so dass die Illusion entstehen kann, dass sie sich selbst zuschauen. Rechtsverteidiger Stefan Lainer nennt die Aktion "cool". Wahrscheinlich zu Recht. Auch wenn sie über eines nicht hinwegtäuschen kann: Echte Fans kann man nicht ersetzen.

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SZ vom 22.05.2020
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