Süddeutsche Zeitung

Bayern im DFB-Pokal:Rödinghausen ärgert sich

Lesezeit: 3 min

Von Carsten Scheele, Osnabrück

Der FC Bayern hat als Klub ein gewisses Selbstverständnis, und dazu passte gar nicht, wie frech sich die Spieler des Viertligisten SV Rödinghausen am Dienstagabend äußerten. "Die zweite Halbzeit geht an uns", erkannte Linus Meyer, der Rödinghausener Torschütze. Auch Torwart Niclas Heimann hatte "ein überragendes Ergebnis" gesehen. Und Kapitän Daniel Flottmann erklärte gar, er sei "mit dem Schlusspfiff enttäuscht gewesen", denn: "Wir haben gemerkt, dass da heute was geht."

Mit der Meiningshoheit gibt es in München bekanntlich manchmal Probleme, Stichwort Grundgesetz, an diesem Abend aber nicht. Alle waren sich einig: Die Spieler aus Rödinghausen hatten Recht. Zwar hat sich der FC Bayern mit einem knappen 2:1 (2:0) beim Viertligisten, der ins größere Stadion nach Osnabrück umgezogen war, in Achtelfinale des DFB-Pokals gehievt, über sehr weite Strecken aber eine wirklich dürftige Leistung geboten.

Was passiert war? Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic war überfragt. "Ich kann das auch nicht erklären", sagte er kopfschüttelnd. Kurze Nachfrage, wirklich kein Ansatz einer Deutung? "Nein, kann ich nicht."

Die Münchner gewinnen derzeit zwar ihre Spiele, verlieren aber allmählich, so scheint es, das Gefühl für das eigene Leistungsvermögen. Hatte es doch zunächst nach einem entspannten Pokalabend ausgesehen: Das frühe 1:0 durch Sandro Wagner (4.), kurz darauf der verwandelte Elfmeter durch Thomas Müller (13.) - da stand es 2:0. Als die Bayern in der 23. Minute einen zweiten Strafstoß zugesprochen bekamen, trat Renato Sanches an - doch als der Portugiese den Ball gegen die Latte setzte, begann quasi ein neues Spiel. Es war wohlgemerkt der Rekordmeister und Rekordpokalsieger, der sich gegen den Viertligisten viel zu weit zurückzog, was Rödinghausen bemerkte und seinerseits begann, die Bayern zu nerven. Trainer Niko Kovac sagte, seine Mannschaft habe die Partie zwar gut begonnen, "aber mit dem verschossenen Elfmeter war alles wie weggeblasen".

In der Tat, noch vor der Pause hätte Rödinghausen durch Angreifer Simon Engelmann zu seinem ersten Treffer kommen können - er schoss knapp am Tor vorbei. Kurz nach Wiederanpfiff nutzte dann Meyer die dritte richtig gute Gelegenheit zum Anschlusstreffer, der das Stadion an der Bremer Brücke vor Glück nahezu zum Platzen brachte. "Wir sind zusammengebrochen", erkannte Bayern-Nationalspieler Leon Goretzka angemessen selbstkritisch. Auch Wagner, der den geschonten Robert Lewandowski vertrat, klagte: "Wir haben viel vermissen lassen. Das war nicht das, wie man sich Bayern München vorstellt." Fand auch Torwart Manuel Neuer, der etwas internationaler feststellte: "Das war nicht Bayern-like."

3:1 in Wolfsburg, 2:0 in Athen, 2:1 in Mainz, nun 2:1 im Pokal: Die Ergebnisse stimmen derzeit bei den Münchnern, nicht aber die Art und Weise, wie die Siege erzielt werden. Das fällt insbesondere ins Gewicht, da die Mannschaft in weniger als zwei Wochen auf einen Gegner trifft, bei dem aktuell Ergebnisse und Art und Weise stimmen. Mögen die Bayern in der aktuellen Konstitution in den kommenden Heimspielen gegen Freiburg und Athen womöglich noch bestehen, kommt es am 10. November zum Spitzentreffen bei Borussia Dortmund, wo bei der aktuell übergreifenden Defensivlethargie der Münchner Schlimmes zu erwarten ist.

Gegen Rödinghausen leistete sich das Team gegen quasi völlig unbekannte Gegenspieler einen Patzer nach dem anderen, beim Tor von Meyer ("ein Kindheitstraum") ließ erst Javi Martínez seinem Gegenspieler viel zu viel Platz beim Flanken; in der Mitte war dann Meyer gedankenschneller als Rafinha, der nicht hinterher kam. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass die Dortmunder um ihre Flitzer Raphaël Guerrero, Jadon Sancho oder Paco Alcácer den Bayern noch viel nachhaltiger zusetzen werden.

Thiago verletzt sich am Knöchel: "Sieht nicht gut aus", sagt Kovac

Das schlechte Gefühl für das Dortmund-Spiel verstärkt sich sogar, wenn man die Personalie Thiago noch hinzunimmt. Der Spanier, zuletzt regelmäßig bester Münchner, wurde vom Rödinghausener Björn Schlottke am Dienstagabend in der zweiten Hälfte so heftig getreten, dass er vom Platz musste, das Stadion schließlich an Krücken gehend verließ. Thiago habe "starke Schmerzen" am rechten Knöchel, sagte Trainer Kovac. Es sehe "nicht gut aus." Die Diagnose bestätigte den Eindruck: Thiagos vorderes Außenband sowie seine Gelenkkapsel im rechten Sprunggelenk sind gerissen. Im Bundesligaduell mit Borussia Dortmund am 10.November wird er nicht spielen können.

Ausgerechnet Thiago, schlimmer hätte der Arbeitstag für die Münchner kaum enden können. Trainer Kovac klagte mit Blick auf den ohnehin schon üppigen Krankenstand: "Es werden immer weniger."

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