Süddeutsche Zeitung

FC Bayern nach Präsidenten-Rückzug:Siegen für Uli

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Der FC Bayern sendet im ersten Spiel nach der Verurteilung von Uli Hoeneß ein wichtige Signal: Sportlich kann der Fall des Ex-Präsidenten dem Team nichts anhaben und auch abseits des Rasens soll sein Lebenswerk wie bisher weiterlaufen. Über die frühste Meisterschaft der Geschichte kann sich derzeit trotzdem keiner freuen.

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Die Geste ist traditionell, doch so vieles an diesem Moment ist anders als bei den vergangenen Spielen des FC Bayern. Ein Fan in blauer Trainingsjacke streckt einen Schal des FC Bayern vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen empor, darauf der Schriftzug "Uli Hoeneß", sein Gesicht als graue Stickerei am Seitenende. Der Mann presst die Lippen aufeinander, die Vereinshymne "Stern des Südens" dröhnt über die Stadionlautsprecher und klingt langsam aus, er legt sich den Schal um den Hals, fasst sich ans Klubemblem auf seiner Jacke. Es ist ein leiser Moment im lauten. Und vielleicht etwas davon, was Matthias Sammer später mit den Worten meint: "Ulis Geist bleibt."

Mehrere Botschaften sendet der FC Bayern beim ersten Auftritt nach dem Urteil gegen Uli Hoeneß aus, dem ersten Spiel ohne den Präsidenten Hoeneß, der am Freitag seine Ämter beim Rekordmeister niederlegte und seine dreieinhalb Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung akzeptierte. Die sportliche ist zugleich die schlechte für den Rest der Liga: Der Rücktritt der prägenden Figur der letzten Jahrzehnte hat das Team von Pep Guardiola mit Nichten so getroffen, dass es sich sportlich aus der Bahn werfen lässt.

Thomas Müller wuselt sich weiter durch den Strafraum, Mario Mandzukic macht seine Kopfballtore und Arjen Robben sorgt für Antrieb auf der Außenbahn. Nach dem 2:1 (1:0) gegen Leverkusen kann der FC Bayern nun schon kommende Woche beim FSV Mainz Meister werden, so früh wie noch keine Mannschaft zuvor. Mit dem Abgang von Hoeneß beginne "keine neue Zeitrechnung", sagte Sportdirektor Sammer am Samstagabend und sendete damit die nächste Botschaft aus. Beim Sieg gegen Bayer Leverkusen sprach nichts gegen seinen Befund.

Dass es diesmal nicht gleich fünf Bayern-Tore zu feiern gab, hatte nicht etwa mit einer vor Schock erstarrten Bayern-Elf zu tun, sondern vor allem mit den mauernden Gästen, die so einiges abfingen, was aus der Bayern-Offensive zu ihnen heranrollte. "Die haben den Bus hier draußen vor dem Ausgang geparkt, aber eigentlich müssen sie ihn jetzt wieder vom Platz holen", sagte Robben, der dadurch auf dem Rasen in seinem Tun recht eingeschränkt war. Müller fühlt sich durch die Mauertaktik der Leverkusener "etwas eingeschläfert".

Einige Hochmomente erlebte hingegen Bastian Schweinsteiger, der mit 152 Ballkontakten der Verteiler im Team war - und einen Freistoß zum 2:0 in einer Manier direkt verwandelte, die mit Perfektion deckungsgleich war. Aus knapp 17 Metern pfefferte er den Ball von der linken Spielfeldhälfte über die Mauer und ließ ihn noch kurz an der Lattenunterkante streicheln, um dann ins Netz einzuschlagen. "Ich versuche, das seit letztem Jahr mehr zu üben", erklärte Schweinsteiger und zeigte sich mit seiner Entwicklung nach seiner Sprunggelenksverletzung zufrieden. "Sein ganzer Bewegungsablauf wird immer besser", bekannte auch Sammer, "er ist jetzt schon sehr gut und ich bin sehr optimistisch, dass er top-top-top wird, wie der Trainer sagen würde."

Normalerweise wären das die bestimmenden Themen gewesen: die mögliche Meisterschaft in der kommenden Woche, Schweinsteigers Comeback, die Kaderdurchrüttlung durch Pep Guardiola, der fünf Neue im Vergleich zum Arsenal-Spiel auf den Platz schickte. Doch "normalerweise" gilt momentan nicht.

Unberührt ließ die Causa Hoeneß das Team freilich auch nicht, in nachdenklicher Stimmung äußerten sich die Spieler. "Es war wichtig, dass wir unseren Job gemacht haben, auch wenn solche Sachen den Sport und jeden Einzelnen beeinflussen", sagte Manuel Neuer. Die Tristesse über den Abgang von Hoeneß benannte Franck Ribéry direkt: "Wir sind alle traurig. Wir müssen den Kopf hoch nehmen, müssen in jedem Spiel gewinnen für Uli."

Es ist eine Phase des sich Neufindens beim FC Bayern, auch wenn das Lebenswerk von Hoeneß nun bestmöglich weitergeführt werden solle, wie Sammer betonte. Wer keine Ahnung von den Umständen hat, könnte glatt annehmen, der Präsident wäre verstorben. So tief ist Uli Hoeneß gefallen. So groß ist die Lücke, die er im Verein hinterlässt.

Die Mannschaft und die Verantwortlichen müssen sich nun erst einmal damit abfinden, dass nur noch der Geist, aber nicht mehr Hoeneß persönlich im Stadion anwesend sein wird, wenn der nächste Gegner zu bezwingen ist. Karl-Heinz Rummenigge war am Samstag verwaist, wie er da auf der Tribüne saß, der Platz von Hoeneß blieb leer. Ab und an drehte sich der Vorstandsvorsitzende gewohnheitsmäßig nach links, doch da war niemand mehr zum Applaudieren und Diskutieren.

"Ich bin kein Freund der Philosophie 'Der König ist tot, es lebe der König'", erklärte er später gegenüber Sky, "sondern eher ein Freund der Philosophie von Franz Beckenbauer 'Gute Freunde kann niemand trennen'". Pep Guardiola dachte sogar noch weiter: "Ich hoffe, dass ich das noch erleben darf, dass er zurückkommt."

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