Süddeutsche Zeitung

FC Bayern nach dem Hoeneß-Rücktritt:"Immer einer von uns!"

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Vereinzelte Plakate im Stadion, kurz vor Schluss laute Gesänge: Nach dem Rücktritt von Uli Hoeneß zeigen sich die Bayern-Fans zurückhaltend dankbar für all das, was der Patron für ihren Verein geleistet hat. Hämische Rufe der Leverkusener Fans werden mit Pfiffen quittiert.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Sanft streicht Peter über seinen Schal, es ist ein Schal mit dicken roten und weißen Streifen. Peter hat seinen seit ein paar Jahren, er trägt ihn stolz, wenn Peter den Schal anhatte, hat der FC Bayern mehr Spiele gewonnen als verloren. Vor allem aber hatte die wichtigste Person des Vereins auch sehr häufig diesen Schal mit den dicken roten und weißen Streifen an.

Die wichtigste Person des FC Bayern, Uli Hoeneß, wird in der nächsten Zeit nicht mehr oft den Schal im Stadion tragen. "Das ist eine menschliche Tragödie", sagt der FC-Bayern-Fan zu der Haftstrafe für Hoeneß. Seinen Schal mit den dicken roten und weißen Streifen wird Peter weiter bei jedem Stadionbesuch um seinen Hals wickeln. Und er wird weiter stolz auf ihn sein.

Peter steht in der U-Bahn zur Arena in Fröttmaning, zum Heimspiel gegen Bayer Leverkusen. Zum ersten Heimspiel, nachdem Hoeneß zu seiner Haftstrafe verurteilt wurde. Peter ist sich unsicher, wie er darüber denken soll, die Steuerhinterziehung in dieser Höhe findet er "ungeheuerlich", und doch bleibt da die Sympathie für den Menschen Uli Hoeneß.

So wie Peter geht es vielen anderen Anhängern, sie sind zurückhaltend dankbar für all das, was Hoeneß für den Verein und auch für sie geleistet hat. Anders als vor Prozessbeginn sind sie aber nicht so offensiv solidarisch. An der U-Bahn-Station in Fröttmaning singt ein Mann "Ul-li Hoe-neß". Niemand lacht. Niemand singt mit. Stille.

Auch im Stadion selbst schicken die Anhänger keinen lauten Gruß an den Mann, der jahrzehntelang das Gesicht des Vereins war. Nur wenige Plakte hängen da, "Danke Uli" steht da etwa zweimal. Auf dem einen dazu noch: "Wir stehen zu dir! Immer einer von uns!" Auf dem anderen steht, etwas kleiner: "Bis bald".

In der 18. Minute passiert es dann schließlich: Häme aus dem Leverkusener Fan-Block. "Hoeneß in den Knast" singen sie. Und: "Steht auf, wenn ihr Steuern zahlt." Die Bayern-Fans antworten mit lauten Pfiffen. Außerdem grölen sie, dass Leverkusen nie deutscher Meister werde. Aber kein Applaus für Hoeneß wie auf der Jahreshauptversammlung im November.

Dann beginnt die 76. Minute. Langsam wird ein Gesang immer lauter, erst singen ihn die Fans in der Südkurve, schließlich fast das ganze Stadion: "Uli Hoeneß, du bist der beste Mann." Und, am Ende, etwas leiser, weil nicht mehr alle mitsingen: "Du weißt es." Es wird jetzt, zumindest gesanglich, eine Uli-Hoeneß-Gedächtnis-Viertelstunde, das Lied wird erneut gesungen werden, auch das Es-gibt-nur-einen-Uli-Hoeneß-Ständchen.

Hoeneß selbst ist am Samstag nicht in die Arena gekommen, sein Platz bleibt leer. Ganz weg ist er natürlich nicht. Sportvorstand Matthias Sammer sagt vor der Partie: "Der Geist bleibt da, er ist nicht aus der Welt."

Dass Hoeneß irgendwann wieder die Welt des FC Bayern mitprägen wird, dass hofft auch Anhänger Peter. "Er hat einfach dieses Barocke, dieses Bayerische, das dem Verein ein herzliches Erscheinungsbild gegeben hat." Nur schwer kann sich Peter den Verein ohne Hoeneß vorstellen, genauso schwer kann er die Frage nach dem Nachfolger beantworten. Stoiber? "Nur das Bayerische reicht auch nicht." Und sonst so? "Sammer und Rummenigge gehen auf jeden Fall nicht", sagt Peter, "dieses kühle Kalkül, das die beiden darstellen, das ist nicht der FC Bayern."

Peter ist mit seinem Sohn zum Spiel gekommen, Marc ist sechs Jahre alt, er trägt ein Manuel-Neuer-Trikot. Mit dem Namen Hoeneß verbindet er nicht viel. Als Fan wird er mit einem anderen Gesicht des Vereins heranwachsen.

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