Süddeutsche Zeitung

FC Bayern München:Neuer Ärger um Arturo Vidal

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Von Benedikt Warmbrunn

"Arturo Vidal?", fragt Jupp Heynckes: "Da kann ich Ihnen eine Geschichte erzählen." Die Geschichte, die Heynckes an diesem Freitag erzählt, stammt aus dem August 2009, Heynckes reist als neuer Trainer von Bayer Leverkusen zum ersten Spiel nach Freiburg. Zweite Minute, gelbe Karte für Vidal. Zehnte Minute, "noch so eine Aktion - Kamikaze". 20. Minute, Heynckes zückt eine imaginäre Karte, "habe ich ihm die rote Karte gezeigt", er wechselt ihn aus. Heynckes weiß, "wie impulsiv und aggressiv Arturo spielt", er weiß, dass er reagieren muss. "Das konnte er überhaupt nicht verstehen, er wollte nach Chile fliegen. Da habe ich gesagt: ,Lass ihn doch fliegen.' Und dann sind wir ziemlich gute Freunde geworden."

Zwei kleine Details an der Geschichte hat Heynckes dramaturgisch zugespitzt: Ausgewechselt hatte er Vidal erst in der 29. Minute, und es war auch nicht sein erstes Spiel in Leverkusen, sondern das dritte. Beim ersten Spiel in Mainz fehlte Vidal, wegen einer Gelb-Rot-Sperre. Dennoch ist die Geschichte hochaktuell, sie erzählt von Heynckes' Gespür für Stimmungen, sie erzählt von seiner Vorliebe für Arturo Vidal. Und sie erzählt davon, dass die Arbeit mit dem Chilenen schon immer eine anspruchsvolle gewesen ist.

Typische Arturo-Vidal-Tage

Die vergangenen Tage waren ja wieder einmal typische Arturo-Vidal-Tage. Am Mittwoch, im Pokal in Leipzig, hatte er die strittigste Szene ausgelöst, mit mal wieder so einer Aktion - Kamikaze. An der Strafraumgrenze war er in Emil Forsberg hineingerauscht, von hinten; dass es einen Freistoß gab und nicht den angemessenen Elfmeter hat den FC Bayern wohl vor einem früheren Rückstand bewahrt, womöglich auch vor einem anderen Ausgang des Abends. Da Vidal, bereits mit einer gelben Karte verwarnt, weiterhin aggressiv und impulsiv spielte, wechselte ihn in der 57. Minute der Trainer des FC Bayern aus, Jupp Heynckes.

Am Freitag lieferte dann die Bild-Zeitung eine Titelgeschichte über einen Disco-Besuch Vidals aus dem September. Demnach soll Vidal sich auf Tische gesetzt, Gäste angepöbelt und Gläser umgeworfen haben. Später sei es auch zu einem Handgemenge gekommen; laut Bild war dabei auch Vidal nicht unbeteiligt. "Das kann ich nicht beurteilen, ich weiß nicht, was da gewesen ist", sagt Heynckes. Dann sagt er: "Ich kenne ja meinen Arturo sehr gut." Dass er am Abend unterwegs war, kritisiert der Trainer nicht; die Spieler dürften ja auch ins Kino, dann seien sie auch erst in der Nacht wieder zu Hause. Vidals Berater Fernando Felicevich wollte sich auf eine SZ-Anfrage nicht zu dem Vorfall äußern.

Beide Episoden passen zu den jüngsten Eindrücken von Vidal

Beide Episoden passen zu den jüngsten Eindrücken von Vidal. Auf dem Spielfeld wirkt die Wucht, die ihn einst auszeichnete, nicht mehr ganz so zielgerichtet. Und nach dem Scheitern Chiles in der WM-Qualifikation sagte die Schwiegermutter von Torwart Claudio Bravo im Fernsehen: "Alle Welt weiß, dass Vidal besoffen zum Training kam." Auch beim FC Bayern ist Vidals Lebenswandel immer wieder ein Thema gewesen. All das summiert sich zu dem Eindruck, dass da ein Mann in der Sinnkrise steckt.

Für Heynckes ist das nicht unproblematisch. Er muss einen Weg finden, um seinen guten Freund zu therapieren, ohne aber Stimmung und Erfolg seiner Mannschaft zu gefährden. Besonders anspruchsvoll macht diese Therapie, dass sie schon an diesem Samstag beginnt, um 18.30 Uhr, mit dem Heimspiel gegen Leipzig.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2017
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