Süddeutsche Zeitung

FC Bayern gegen Leipzig:Die große Flucht aus Fröttmaning

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Die samstägliche U-Bahn-Linie ab Fröttmaning, sie war mal abends vor 20.12 Uhr ein friedvoller Ort - bis zu diesem 33. Spieltag, an dem ein jeder erkennen musste, dass man sich auf den FC Bayern nicht mehr verlassen kann.

Glosse von Felix Haselsteiner

Man muss sich den U-Bahn-Fahrer, der im Schichtplan erfährt, dass er am Samstag um 20.12 Uhr an der Haltestelle Fröttmaning ein- und kurz darauf wieder ausfahren wird, als überglücklichen Menschen vorstellen. Die Kolleginnen und Kollegen in den Zügen hinter ihm werden in der folgenden Stunde Zehntausende Fans durch Münchens Untergrund chauffieren, die ihre Waggons ins Wanken bringen, grölen, den Ein- und Ausstiegsbereich blockieren und überhaupt die Anarchie walten lassen werden im Hoheitsgebiet der Verkehrsgesellschaft MVG.

Er hingegen: Steuert eine leere U6 Richtung Innenstadt, vielleicht steigen ein paar versprengte Zuschauer einer Wittelsbacher-Hochzeit am Odeonsplatz ein. Und bis er am Klinikum Großhadern angekommen ist, die Fahrtrichtung gewechselt hat und wieder Richtung Norden zuckelt, hat auch der letzte Mensch die Arena verlassen.

Die samstägliche 20.12er ab Fröttmaning, sie war mal ein friedvoller Ort - bis zu diesem 33. Spieltag, an dem vom Trainer bis zum U-Bahn-Fahrer ein jeder erkennen musste, dass man sich auf den FC Bayern nicht mehr verlassen kann. Zehntausende störten diesmal die Ruhe, strömten schon vor dem Abpfiff des Trauerspiels gegen Leipzig in die Waggons der U6, es herrschte ein Geschubse und Gedränge am Gleis, niemand hielt den Sicherheitsstreifen frei. Die große Flucht aus Fröttmaning.

Ja, viele in der Stadt verzweifeln gerade am FC Bayern. Die Zuschauer, die McKinsey-Berater, die nun ständig in einem Atemzug mit dem unglückseligen CEO Oliver Kahn genannt werden, die Betreiber der Nobelrestaurants, die gigantische Umsatzeinbrüche vermelden, weil kein Bayernspieler mehr irgendwas feiern will. Nun auch die U-Bahn-Fahrer, wenngleich man sich bei denen schon am kommenden Wochenende in aller Form entschuldigen könnte: Ein Verzicht auf eine Meisterbalkonfeier und damit auf eine volle U6 am Sonntagnachmittag wäre eine angemessene Geste.

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