Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Champions League:Mit bayerischen Wirklichkeiten nach Dortmund

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Aus dem Stadion von Matthias Schmid

Wer Uli Hoeneß in diesen Tagen beim Reden etwas aufmerksamer zuhört, stellt sich hinterher die unvermeidliche Frage, wer da nun wen mehr verwirrt mit seinen öffentlichen Darbietungen: Der Präsident des FC Bayern die Profis oder die Profis des FC Bayern ihren Präsidenten? Die Antwort auf diese Frage lässt sich auch nach dem ungefährdeten, aber wenig überzeugenden 2:0 in der Champions League am Mittwochabend gegen AEK Athen nicht geben. Beide Seiten lieferten Argumente, die sowohl für die eine als auch für die andere Sichtweise sprechen.

Um zu erfahren, wie angespannt es beim FC Bayern zugeht, reichte ein eigentlich harmloser Satz ("Ich werde später noch etwas sagen") von Hoeneß im Souterrain der Arena nach der Partie aus, um unter den anwesenden Journalisten eine Aufregung zu entfachen, als ob Donald Trump gerade über Twitter der ganzen Welt die Berichterstattung über sich selbst verboten hätte.

Ähnlich wie der US-Präsident konstruiert sich auch Hoeneß gerne seine eigene Wirklichkeit. Als er dann mit rot-weißem Schal zurückkehrte und sich vor den Mikrofonen und Kameras staatsmännisch aufbaute, wusste man zunächst nicht so recht, ob der 66-Jährige das alles ernst meinte, was er da von sich gab - oder ob er die Leute einfach nur gut unterhalten wollte.

Seine Mannschaft wähnte er in seinen Ausführungen die ganze Zeit über auf dem zweiten Tabellenplatz, als ihn dann jemand freundlich, aber bestimmt darauf hinwies, dass die Bayern in der Liga Dritter seien, fragte Hoeneß erstaunt zurück. "Hat Gladbach mehr Punkte als wir?" Nach ein, zwei Sekunden des Nachdenkens fügte er dann hinzu: "Was interessiert mich die Tordifferenz am zehnten Spieltag."

Mit dem Spiel gegen AEK Athen wollten sich weder Hoeneß noch seine Spieler lange aufhalten, es steht ja ein sehr viel größeres Spiel an diesem Samstag gegen Borussia Dortmund bevor. Es hätte aber nach dem glanzlosen Champions-League-Auftritt durchaus tiefergehende Fragen gegeben. Die Bayern kamen wieder sehr schwerfällig in die Partie, die erste Hälfte war sogar ziemlich unansehnlich gewesen, weil es abermals nicht gelang, spielerische Defizite zu überwinden. Es fehlt weiter die Wucht nach vorne, die Raffinesse und Präzision, um gegen einen harmlosen Gegner wie Athen vier, fünf Tore zu erzielen.

Ein Gesicht des Bayern-Durchhängers ist Franck Ribéry, der wie ein trauriger, alter Ritter gegen seine Feinde anrennt, weil er noch immer glaubt, so unverwundbar wie in früheren Zeiten zu sein. Zwar traten alle Bayern-Spieler im Vergleich zum ermatteten Auftritt gegen Freiburg (1:1) nun lebhafter auf, aber der Sieg war das Resultat zweier ruhender Bälle und nicht von hübsch herausgespielten Aktionen. Zunächst verwandelte Robert Lewandowski in der ersten Hälfte einen an ihm verschuldeten Foulelfmeter (31.), dem eigentlich kein Foul vorausging, um dann in der zweiten nach einem Eckball mit einem artistischen Kung-Fu-Tritt im Stile von Jackie Chan den zweiten Treffer folgen zu lassen (71.).

Aber das 2:0 war gut genug, um die aufgeregten internen und externen Debatten rund um die Mannschaft zu beruhigen und wieder selbstbewusster in das Spiel gegen Dortmund gehen zu können, dem aktuellen Tabellenführer der Bundesliga. Ein Umstand, den auch Hoeneß akzeptiert. "Wir müssen ein gutes Spiel machen und schauen, was rauskommt", sagte er vorsichtig, um dann fast zu demütig für seine Verhältnisse hinzuzufügen: "Wir fahren nicht als Favorit nach Dortmund, sondern als Außenseiter."

Außenseiter? Als Mats Hummels das hörte, hielt er seine Verwunderung über die Aussage seines Präsidenten nicht zurück. "Es ist völlig wurscht", versicherte der Innenverteidiger, "ob wir Außenseiter, Favorit oder sonst was sind. Ich weiß nicht mal, was besser wäre. Ich bin zum Glück noch nicht in der Position, meine Aussagen taktisch treffen zu müssen." Hummels und auch Kapitän Manuel Neuer wollen in Dortmund gewinnen, das ist ihr Anspruch. Es sei "ein Duell auf Augenhöhe", wie der Torhüter findet, "wir müssen uns nicht verstecken, wir sind der FC Bayern."

"Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt"

Wie sehr die wenig überzeugenden Darbietungen in den vergangenen Wochen den Verein im Innersten erschüttert haben, konnte man auch daran erkennen, dass sich Hoeneß am Mittwochabend - zumindest nach außen hin - so tiefenentspannt gab, als ob er gerade von einem mehrtägigen Meditations- und Yoga-Retreat zurückgekehrt wäre. Er hat sich nach einer inneren Einkehr nämlich schon von dem Meistertitel verabschiedet. "Die Meisterschaft", gestand er bemerkenswert freimütig, "würden wir gerne immer haben, aber wenn es mal nicht so ist, wird der FC Bayern auch nicht untergehen. Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt."

Mats Hummels staunte über die neuen Töne von Hoeneß, er wusste auch nicht so recht, wie er sie einordnen sollte. Ob sich der Präsident schon auf eine Niederlage in Dortmund einstellt und hinterher die Deutungshoheit bei Fragen rund um den Trainer Niko Kovac behalten möchte? Sollte der FC Bayern tatsächlich verlieren, würde der Rückstand auf den BVB bereits auf sieben Punkte anwachsen. Ruhe würde dann so schnell nicht einkehren in München. Und das weiß Uli Hoeneß am besten.

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