Süddeutsche Zeitung

FC Bayern künftig ohne Jurist Gerlinger:Der Schattenmann geht

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Nach 18 Jahren verlässt Chefjustiziar Michael Gerlinger überraschend den FC Bayern. Der Fußball-Rekordmeister verliert einen der wichtigsten Mitarbeiter der erfolgreichsten Epoche des Klubs.

Von Javier Cáceres

Vor einer Woche kam in Berlin die European Club Association (ECA) zusammen, der Verband der wichtigsten Fußballklubs des Kontinents. Und man konnte beeindruckt davon sein, wie dicht deren Vertreter in einem Ballsaal einer Fünf-Sterne-Absteige im alten Westberlin beieinandersaßen: Mehr als 200 Vereine hatten ihre Vertreter entsandt, darunter der FC Bayern München.

Teil der Münchner Delegation war ein leitender Angestellter, der in den Medien schon mal der "Schattenmann" genannt wurde, weil er in der breiten Öffentlichkeit selten wahrgenommen wurde, obwohl er einer der wichtigsten und bestvernetzten Mitarbeiter in der sportlich erfolgreichsten Epoche des Rekordmeisters war: Chefjustiziar Michael Gerlinger, 50. Am Mittwoch teilte der Verein überraschend mit, dass die Wege der beiden sich trennen. Nach 18 Jahren im Klub scheidet Gerlinger zum Monatsende aus.

Gerlinger, der zuletzt beim FC Bayern als "Vice President Sports Business and Competitions" firmierte, war im Jahr 2005 vom damaligen Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge zum FC Bayern geholt worden. In den drei vorangegangenen Jahren war er dem Verein als externer Mitarbeiter zu Diensten gewesen. Gerlinger hatte zuvor an der Universität Tübingen in Jura promoviert und hernach einen Master-Studiengang des Fußballweltverbands Fifa absolviert, war mithin zu einem Experten in Verbandsangelegenheiten geworden. Doch bei der Zuständigkeit für trockene Sportverwaltungsangelegenheiten blieb es nicht.

Beim FC Bayern wuchs Gerlinger rasch zu Rummenigges rechter Hand heran. Ihm wurde der Bereich Finanzen, Recht und Personal anvertraut, und er begleitete ob seiner juristischen Kenntnisse, aber auch wegen seiner sagenhaften Vielsprachigkeit (Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch) im Grunde jeden Transfer der vergangenen Jahre. In der Pressemitteilung des FC Bayern erinnerte Gerlinger selbst an die Verpflichtung des Spaniers Javi Martínez ("der erste Klauseltransfer überhaupt"). Auch bei den Verhandlungen mit Bayern-Heroen wie Franck Ribéry und Xabi Alonso war er fast schon federführend tätig.

Gerlinger arbeitete beim FC Bayern an Transfers von Größen wie Ribéry oder Xabi Alonso mit

Nach dem Personalwechsel an der Spitze des FC Bayern, der vor allem in der Absetzung des vormaligen Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn Ausdruck fand, veränderte sich das stark. Als Harry Kane verpflichtet wurde, war Gerlinger schon nicht mehr an Bord. Dazu kam, dass er auch im Nachhinein nicht jeden Ansatz der von Kahn angestoßenen Strukturreformen beim FC Bayern für hanebüchenen Unsinn gehalten haben soll. Am Ende stand Gerlingers Entschluss, den FC Bayern zu verlassen, der "in enger Abstimmung mit dem Vorstand" getroffen worden sei, wie es in der Bayern-Mitteilung vom Mittwoch hieß. Auch wenn es ihm schwerfalle, sei nun "der richtige Zeitpunkt zu gehen", wird Gerlinger dort zitiert.

Was Gerlinger in Zukunft machen wird, ist offen. Schon in der Vergangenheit war er ein begehrter Mann, unter anderen umwarb ihn der französische Spitzenklub Olympique Marseille. Das basiert auch auf seiner Rolle in der ECA, die 2008 aus der Gruppe der 14 wichtigsten europäischen Klubs ("G14") entstand und rasch wuchs. Gerlinger selbst bekleidete dort höchste Ämter. Er war zeitweise Interimsgeschäftsführer und Vizepräsident, ab 2017 Vorstandsmitglied.

Ob es um die Zahlung von Abstellungsgebühren für Nationalspieler zu Welt- und Europameisterschaften und deren Versicherung ging oder um die Regelung der Geldverteilung und von Solidaritätszahlungen im europäischen Klubfußball - bei jeder bahnbrechenden Neuerung war Gerlingers Handschrift deutlich zu erkennen. "Ich bedaure, dass Michael den FC Bayern verlässt", erklärte Rummenigge, der bei den Münchnern nun im Aufsichtsrat sitzt, und wünschte ihm "viel Erfolg bei seiner nächsten Station". In dem Wissen, dass es Gerlinger an Offerten nicht mangeln dürfte.

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