Süddeutsche Zeitung

FC Bayern besiegt Bremen:Glimmende Laterne

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Der 2:0-Sieg bei Werder Bremen ist der erste mäßige Auftritt des FC Bayern in dieser Saison. Für Sportvorstand Matthias Sammer schon genug, um die Mannschaft zu ermahnen: Niemand dürfe glauben, dass diese Saison von selbst läuft.

Carsten Eberts, Bremen

"Waaaaahhh" - der französische Jubel war kurz, aber heftig. Auf dem Weg in die Bremer Katakomben schrie Franck Ribéry plötzlich wild los, um ihn war plötzlich alles still und die Augen auf ihn gerichtet. Der Filou hatte seinen Spaß, stellte sein Geschrei gleich wieder ein und lachte. Auch die Mitspieler schmunzelten nach dem Schreck und verschwanden in der Gästekabine. Danach war Ruhe.

Mehr ausgelassene Jubelgesten gab es bei den Bayern am Samstagnachmittag nicht. 2:0 (0:0) hatten sie bei Werder Bremen gewonnen, durch zwei späte Tore von Luiz Gustavo (81. Minute) und Mario Mandzukic (83.) ein ziemlich mäßiges Spiel, vor allem aus Sicht der Bayern, doch noch gedreht. "Wir waren zu langsam, nicht lebendig genug, ohne Esprit", sagte Trainer Jupp Heynckes später. Es war das erste Mal in dieser Saison, dass die Bayern nicht wirklich zufrieden waren mit dem eigenen Spiel.

"Hellwach und gallig waren wir nicht"

Vor allem in der ersten Halbzeit war der Vortrag der Bayern überraschend schlapp, in der Pause hatte Trainer Heynckes laut eigenem Bekunden "ziemlich laut" werden müssen. Letztlich waren es erst die Einwechslungen von Xherdan Shaquiri und Mario Mandzukic, die das Spiel belebten und die späte Wendung gaben. Doch was soll es: Drei Zähler haben die Bayern trotzdem geholt, ohne Verluste stehen sie an der Tabellenspitze. Man könne ja auch nicht in jedem Spiel Jubelfußball zeigen, sagte Heynckes einigermaßen versöhnt nach dem Spiel. Und ging dann fix.

Damit wäre über das wenig spektakuläre Spiel der Bayern in Bremen eigentlich alles erzählt - wäre da nicht noch Matthias Sammer gewesen, der Sportvorstand des Klubs. Sonderlich gut gefallen hatten Sammer seine Bayern ebenfalls nicht, man sah es ihm an. "Was wir heute bis zum 1:0 gezeigt haben, war einfach zu wenig", sagte er zunächst im TV, "das muss man ganz klar sagen."

Vielleicht hatte Sammer Furcht, dass die mäßige Leistung der ersten 80 Minuten zu schnell in Vergessenheit gerät. Weil das Ergebnis im Endeffekt schließlich stimmte. Also entschied er sich, diesmal den Mahner zu geben. Rund eine halbe Stunde nach Spielschluss trat Sammer abseits der Kameras vor den Pressepulk. "Das war etwas lätschert heute", begann er seine Ausführungen. Lätschert, das ist ein eher süddeutscher Ausdruck, Sammer hätte auch "kraftlos" oder "fad" sagen können. Er wisse selbst noch nicht, woran es heute gelegen hatte. Weshalb das Bayern-Mittelfeld nicht so dominant agierte wie in den Partien zuvor. Dass den Spielern die Gedankenschnelle abging, besonders jenen, die in der ersten Halbzeit auf dem Platz standen. Dass die Bayern schlichtweg nicht so agil auftraten wie bislang in dieser Saison.

Sicher war sich Sammer jedoch in einem Punkt: "Hellwach und richtig gallig waren wir heute nicht." Seine Angst: Wenn es keine einfachen Gründe für den Leistungsabfall gab, sei es womöglich um die Einstellung mancher Spieler nicht zum Besten bestellt. Niemand solle glauben, dass diese Saison nach den anfänglichen Erfolgen nun wie von selbst laufe. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht irgendwann mit hängenden Schultern rumlaufen, weil so viele Leute drauf geklopft haben", sagte Sammer, der im Sommer vom DFB losgeeist und nach München geholt worden war. Seine Warnung an die Bayern-Profis: "Wenn wir spielen, muss die Laterne an sein. Heute hat sie nur geglimmt."

Sammer hat sich in München augenscheinlich innerhalb weniger Wochen prächtig akklimatisiert. Bei Siegen warnen, bei Niederlagen die Mannschaft stark reden - die Kunst des antizyklischen Loben und Meckerns haben sonst vor allem Präsident Uli Hoeneß und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge drauf. Damit haben sie den Klub schon durch manche Saison gesteuert, ziemlich erfolgreich sogar.

Sammer will vor allem verhindern, dass sich bei den Bayern nach dem brillanten Saisonstart eine gewisse Selbstgefälligkeit einstellt. "Wehret den Anfängen, sage ich nur", erklärte Sammer beinahe dramatisch, "wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu zufrieden werden." Seine Worte kamen zwar populistisch daher, das gab Sammer selbst zu. Der Sportvorstand will sich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt nicht sagen lassen müssen, dass er dabei zugesehen hat, wie der Mannschaft das Feuer abhanden gekommen ist. Wie in der vergangenen Saison, als Sammer noch nicht Angestellter des FC Bayern war. Lieber einmal zu früh warnen - als zu spät.

Am Montag fliegt der Bayern-Tross nach Weißrussland, wo am Dienstagabend bei Bate Borissow das erste Auswärtsspiel der Champions-League-Spielzeit ansteht. Die Partie in Weißrussland könnte ein kleines Abenteuer werden, spielen die Bayern dort verbessert und kehren mit einem Sieg zurück, wird sich Sammer bestätigt sehen. Zum richtigen Zeitpunkt warnen, noch bevor unerfreuliche Ereignisse eintreten, auch das gehört zu seinem Job. Bekommen die Bayern jedoch auch in Borissow Probleme, dürfte Sammer der erste sein, der diese Probleme anspricht. Intern, und wenn nötig, auch über die Medien.

Mit Sammer haben die Bayern einen mitunter unbequemen Sportvorstand verpflichtet. Daran ließ er am Samstagnachmittag in Bremen keinerlei Zweifel.

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