Süddeutsche Zeitung

Fans bei Mainz 05:Im Stadion herrscht die Logik der dicken Hose

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Die Klubs sollten deshalb Ultras ernst nehmen - ihnen aber auch klar zeigen, wo die rote Linie verläuft. In Mainz ist die längst überschritten.

Kommentar von Claudio Catuogno

Warum zünden fanatische Fußballfans Böller, Raketen oder Bengalo-Feuer in den Fanblocks? Obwohl die Gefahr groß ist, dass dabei andere zu Schaden kommen? Populärer Irrtum: Weil Fußballfans es nun mal schön finden, wenn es im Stadion knallt und qualmt. Zwar teilen in den Ultra-Gruppen, also dem harten Kern der Kurven, viele die Ansicht, dieses Spiel mit dem Feuer sei fester Bestandteil der "Fankultur".

Trotzdem geht es oft um mehr. Darum, Macht zu demonstrieren. Oder darum, gegen irgendwas zu protestieren. Jede Zündelei ist auch ein flammendes Briefchen an irgendwen - die eigene Vereinsspitze, den bösen DFB oder sonstige Behörden, etwa weil sie mal wieder vermeintlich ungerechtfertigte Stadionverbote verhängt haben. Zündeln ist Auslöser für Streit. Es ist aber auch Symptom für Streit.

Der FSV Mainz 05 steckt gerade mittendrin in so einer Eskalationsspirale mit den eigenen Ultras: Weil es zuletzt beim Auswärtsspiel in Darmstadt minutenlang brannte im Mainzer Block, werden den Ultra-Fanklubs jetzt die Kontingente für die restlichen Auswärtsspiele gestrichen. Der Klub hat schon so viele Zehntausend Euro Strafe zahlen müssen wegen Feuer im Fanblock, dass er sich nun zum Handeln gezwungen sah. Immer nur zu drohen, wäre unglaubwürdig gewesen.

Man braucht allerdings nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie die ausgesperrten Anhänger reagieren werden: Viele werden sich auf anderem Wege Karten kaufen für das nächste Auswärtsspiel in Ingolstadt - und dann gegen Repressionen protestieren. Zum Beispiel mit ein paar Bengalos ...

Es ist genau diese Logik, die auch jenseits des Fußballs viele Konflikte eskalieren lässt: die Logik der dicken Hose, bei der Nachgeben Schwäche wäre und der Trotz irgendwann größer wird als die Vernunft. Für die Vereine ist das ein schwieriger Spagat. Ohne Ultras keine Stimmung - schon deshalb spricht viel dafür, die Ultras auch in ihrer Irrationalität immer wieder ernst zu nehmen, einzubinden, ja: auch mal zu hofieren, ihnen Privilegien zuzugestehen. Das Verhältnis zu pflegen. Aber es muss schon klar sein, wo die rote Linie verläuft. Die ist nicht nur in Mainz längst überschritten.

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SZ vom 16.03.2017
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