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Europaspiele:Natürlich mit nach Minsk

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Vor Monaten erwägte der DOSB-Präsident Hörmann, die Europaspiele zu boykottieren. Nun schickt Deutschland doch ein Team. Natürlich, ist man geneigt zu sagen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Es lohnt sich, noch einmal in den vergangenen August zurückzublicken. Da sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), mit Blick auf die für Juni 2019 in Minsk geplanten Europaspiele ein paar Sätze, die für Sportfunktionäre eher ungewöhnlich sind. Der Tenor: Einige kurz zuvor in Weißrussland erfolgte Journalisten-Verhaftungen seien "schlichtweg nur als inakzeptabel" zu bewerten. Und sollte sich die politische Lage in Weißrussland nicht ändern, halte er einen Boykott der Europaspiele "für nicht ausgeschlossen".

Nun mag es in den vergangenen Jahren in Weißrussland zu mancher Verbesserung gekommen sein. Aber eine grundsätzliche Veränderung der politischen Lage ist in dem von Dauer-Präsident Alexander Lukaschenko autokratisch regierten Land nicht festzustellen. Nicht-Regierungs-Organisationen und Menschenrechtsexperten üben weiterhin viel Kritik; und just in dieser Woche läuft der Prozess gegen eine der Journalistinnen, die kurz vor Hörmanns Boykott-Erwägung verhaftet worden war.

Europaspiele in Weißrussland? Der DOSB-Chef dachte da an Boykott. Aber nur ganz kurz

Aber just in dieser Woche teilte der DOSB auch mit, dass er ein Team zu den Europaspielen entsenden werde. Natürlich, ist man geneigt zu sagen.

Denn erstens wäre es wirklich verblüffend gewesen, wenn der gemeinhin auf Linientreue bedachte deutsche Sport solch eine Boykottidee durchgezogen hätte. Zweitens gehören zu den 15 Sportarten im Programm der Europaspiele zwar manch exotische wie Beachsoccer oder Sambo - aber die meisten sind olympische Disziplinen, in denen sich die Qualifikation für Tokio 2020 schaffen lässt. Und drittens änderte sich seit Hörmanns kritischen Einlassungen zwar nicht die Menschenrechtslage in Weißrussland, dafür aber ein Posten in der deutschen Sportförderbürokratie: Es erfolgte die Zusage des Bundes, Entsendekosten in Höhe von 300 000 Euro zu übernehmen.

Nun wird also ein deutsches Team mit zirka 150 Athleten dabei sein, wenn der selbstverständlich mit einem olympischen Orden dekorierte Autokrat Lukaschenko wieder ein Sportevent nutzen kann, um sich in Szene zu setzen. Das haben schon viele seiner Autokratenfreunde bei vergleichbaren Gelegenheiten so gehandhabt, und Lukaschenko selbst auch schon bei der Eishockey-WM 2014. Aber die Mitglieder des deutschen Teams werden sich in guter Gesellschaft wissen: Nur knapp zwei Wochen vor dem Beginn der Europaspiele reist im Rahmen der Qualifikation für die EM 2020 auch die Fußball-Nationalelf nach Weißrussland.

Da darf die Sportwelt ja mal wieder gespannt sein, von welcher Reisegruppe das klarere Statement in Sachen Menschenrechte kommen wird.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2019
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