Süddeutsche Zeitung

England:Arm in Arm, wie beste Kumpels

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Mit zwei Toren entscheidet Pierre-Emerick Aubameyang das englische Pokalfinale für seinen FC Arsenal. Nun wartet der Stürmer auf attraktive Angebote anderer Klubs.

Von Sven Haist, London

Am gemeinsamen Siegerfoto führte kein Weg vorbei. Als alle Mitspieler bereits das Feld verlassen hatten, suchte Pierre-Emerick Aubameyang seinen Trainer Mikel Arteta auf. Nach kurzer Überzeugungsarbeit gelang es dem Kapitän des FC Arsenal, seinen Chef für ein Erinnerungsbild zu überreden: eine Erinnerung an ihren ersten Titel als Spieler und Trainer in England. Arm in Arm, wie beste Kumpels, posierten beide mit einer Hand an der Silbertrophäe auf dem mit goldenem Konfetti übersäten Rasen des Wembley-Stadions.

Der Schnappschuss war prädestiniert für Spekulationen in alle Richtungen, alles dreht sich ja um die Zukunft von Aubameyang, dessen Vertrag bei Arsenal im Sommer 2021 ausläuft. Zu verlockend erschien der Gedanke, in dieses Bild etwas hinein zu interpretieren: Dass es sich bereits um ein Abschiedsfoto handeln könnte. Das Massenblatt Sun titelte: "Auba and Out" - sehr frei übersetzt: Tschüss, ich bin jetzt weg.

Aubemeyang ist 31 und will noch einen großen Titel gewinnen - das spricht eher gegen Arsenal

Vor nicht allzu langer Zeit war beim FC Arsenal noch fast jeder Spieler eine Art Star - jetzt hat der Klub bloß noch Aubameyang. Sein Goodbye würde den Londonern den letzten verbliebenen Glamour nehmen. Seit dem Winterwechsel 2018 für 63,75 Millionen Euro von Borussia Dortmund zu Arsenal hat Aubameyang den Verein mit Toren und Kabinettstücken verzückt; der Stürmer aus Gabun erzielte in zweieinhalb Saisons 70 Pflichtspieltore - mehr als jeder andere Spieler in der Premier League in diesem Zeitraum. Und das, obwohl er bei Arsenal kein glanzvolles Team mehr vorfand. Mit der ihm angeborenen Lässigkeit schultert er momentan den Klub, seit Herbst sogar als Spielführer. Im 139. Endspiel des traditionsreichen FA-Cups beim 2:1 des FC Arsenal gegen den Stadtrivalen FC Chelsea lieferte Aubameyang als Krönung seiner bisherigen Zeit einen Auftritt zum Zungeschnalzen.

Wie schon bei seinen zwei Toren im Halbfinale gegen Manchester City demonstrierte er die ganze Palette seines Könnens. Nach dem frühen Gegentor durch Christian Pulisic zögerte Aubameyang im Laufduell mit Chelseas Kapitän Cesar Azpilicueta dessen leichtes Vergehen bis in den Strafraum hinaus; den fälligen Elfmeter setzte er eiskalt ins rechte untere Eck (28.). In der entscheidenden 67. Minute ließ er dann seinen früheren Teamkollegen Kurt Zouma stehen und überlupfte den heraneilenden Torwart Willy Caballero. "Ich kenne Kurt. Er weiß, dass ich Rechtsfuß bin. Also bin ich links vorbei", erklärte Aubameyang. Zwischen Ballannahme und Torabschluss lagen 1,4 Sekunden - das Sportportal The Athletic schrieb, dass Aubameyang mit dem Kopf so schnell sei wie mit den Füßen. Passend zu seiner Trikotnummer "14" sicherte Aubameyang dem Rekordsieger Arsenal damit den 14. Erfolg im FA-Cup, zwei mehr, als Manchester United erreicht hat.

Nach dem achten Platz in der Liga hat sich Arsenal durch den Titelgewinn auf den allerletzten Drücker doch noch für die Europa League qualifiziert. Letztmals verfehlte der Verein vor 25 Jahren einen internationalen Wettbewerb. Eine Wiederholung des Missgeschicks hätte nach viermaligem Verpassen der Champions League weitere Einbußen von mindestens 30 Millionen Pfund zur Folge gehabt. Und um überhaupt eine Chance zu haben, das Arbeitspapier mit Aubameyang verlängern zu können, benötigt Arsenal jeden Penny.

Der Verein befindet sich in einer Zwickmühle, in der jeder Zug ein Problem nach sich zieht. Wirtschaftlich kann es sich der Klub kaum erlauben, den Stürmer zu behalten - sportlich wiederum kann es sich der Klub nicht erlauben, ihn abzugeben. Beim klammen Arsenal, das ein kolportiertes Wochengehalt von circa 300 000 Pfund nur schwerlich finanzieren könnte, kämpft vorwiegend der Trainer um ihn.

"Ich denke, dass er bleiben wird. Aber bislang ist nichts abgeschlossen. Ich hoffe, wir hören bald etwas", sagt Arteta: "Ich möchte mein Team um ihn herum aufbauen." Im Alter von 31 kann es sich Aubameyang aber wohl nicht leisten, auf eine Entwicklung bei Arsenal zu spekulieren, wenn er noch die Ambition hegt, mal einen ganz großen Titel zu gewinnen.

Seine Hinhaltetaktik und sein monatelanges Schweigen deuten an, dass er nur darauf wartet, bis ein attraktives Angebot eines anderen europäischen Klubs in sein Postfach flattert. Auch nach dem Pokalsieg sagte Aubameyang zu seiner Zukunft: "Nichts. Nur heute und die Trophäe."

Beim FC Barcelona soll er oben auf der Liste stehen, sofern die Katalanen es nicht schaffen, den umworbenen argentinischen Angreifer Lautaro Martínez, 22, aus seinem Vertrag bei Inter Mailand herauszukaufen. Und sollte Martínez die Italiener doch verlassen, wäre für Aubameyang wiederum in seiner Lieblingsstadt Mailand ein Platz frei, wo er einst als Jugendlicher für den Stadtrivalen AC gespielt hat. Seine Vorliebe für ausgefallene Kleidung und schrille Autos würde wie Schlips und Kragen zur Modestadt Milan passen.

Das Salär wäre für Inter ohnehin bezahlbar, nachdem das italienische Steuergesetz den Topverdienern seit diesem Jahr die fragwürdige Annehmlichkeit bietet, nach einem mindestens zweijährigen Auslandsaufenthalt nur einen Bruchteil des eigenen Verdienstes an den Staat abgeben zu müssen, wenn der neue Vertrag über mehrere Spielzeiten abgeschlossen wird. Nahezu ausgeschlossen ist in diesem Poker inzwischen eigentlich nur, dass Aubameyang seinen Klub im nächsten Jahr ablösefrei verlassen wird. Für Arsenal wäre es elementar, im Fall einer gescheiterten Vertragsverlängerung mit Aubameyang immerhin noch eine Ablöse einzustreichen.

Aufgrund seiner fast makellosen Verletzungshistorie wird Aubameyang zugetraut, noch zwei, drei Jahre auf internationalem Topniveau spielen zu können. Unabhängig vom Ausgang dieser Personalie ist Aubameyang in jedem Fall jetzt erst mal eine Zeit lang weg aus London - und zwar im Urlaub in Frankreich.

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Quelle:
SZ vom 03.08.2020
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