Süddeutsche Zeitung

DFB-Frauen gegen Österreich:Hrubesch startet den Umbruch

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Vor dem Start der EM-Qualifikation ändert sich das Gesicht des DFB-Teams. Neue Spielerinnen drängen sich auf - wie Sjoeke Nüsken oder Bibiane Schulze Solano. Bundestrainer Horst Hrubesch muss gleich drei Aufgaben parallel bewältigen.

Von Frank Hellmann, Linz

Manchmal scheint es unvermeidlich, gängige Klischees zu bedienen. Merle Frohms, seit fast fünf Jahren die Nummer eins im Tor der deutschen Fußballerinnen, fühlt sich jedenfalls in Hagenberg im Mühlkreis so, "wie man sich Österreich vorstellt: In der Ferne sieht man die Berge, rundherum ist grüne Wiese". Rund 20 Kilometer nördlich von Linz sei es jedenfalls "sehr idyllisch": Atmosphärisch bestehen schon mal gute Voraussetzungen für das erste EM-Qualifikationsspiel der DFB-Frauen gegen die Österreicherinnen (Freitag 20.30 Uhr/ARD) für die EM im Juli 2025 in der Schweiz.

Österreichs Teamchefin Irene Fuhrmann, 43, freut sich genau wie ihre vielen Spielerinnen aus der deutschen Bundesliga auf "eine tolle Challenge" und hofft in der Linzer Arena auf eine fünfstellige Zuschauerzahl. Der Fußballlehrerin fehlen zwar in Sarah Zadrazil und Katharina Naschenweng zwei verletzte Stammkräfte vom FC Bayern, aber Fuhrmann schöpft Mut aus dem jüngsten Aufeinandertreffen. Im EM-Viertelfinale 2022 unterlag Österreich dem späteren EM-Zweiten Deutschland etwas unglücklich 0:2, scheiterte dabei gleich dreimal am Aluminium.

Das Nachbarschaftsduell ist der Startschuss in eine EM-Qualifikation, die für Deutschland im besten Fall schon vor den Olympischen Spielen (24. Juli bis 11. August) gesichert ist. Zum ersten Mal wird diese im Format der Nations League gespielt, weswegen Deutschland auf wenige, aber vergleichsweise starke Gegner trifft: neben Österreich noch auf Island und Polen. Die ersten beiden der Gruppe qualifizieren sich direkt für die EM, auch Platz drei und vier haben noch Chancen, müssten dann aber mühsame Playoff-Runden im Herbst spielen.

Der aktuelle Bundestrainer Horst Hrubesch hat bis Paris also gleich drei Aufgaben vor sich: das Ticket für die EM 2025 in der Schweiz lösen, sich für einen nur 18-köpfigen Olympia-Kader entscheiden und die Verjüngung der Mannschaft fortsetzen. Und das alles, während sein Nachfolger Christian Wück diesen Prozess von der Tribüne aus verfolgt. Beide kennen sich immerhin recht gut und haben mehrmals miteinander telefoniert, aber: "Bis zu meinem Ausscheiden ist das mein Bereich", stellt Hrubesch, 72, unmissverständlich klar.

Nüsken ist zur Stammspielerin beim FC Chelsea aufgestiegen

Die unter seiner Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg am Ende verkrusteten Strukturen werden jetzt notgedrungen aufgebrochen: Kapitänin Alexandra Popp und Abwehrchefin Marina Hegering sind verletzt, Ersatzkapitänin Svenja Huth ist zurückgetreten. Damit fehlen drei Führungskräfte aus der lange dominanten Fraktion des VfL Wolfsburg. Und weil Lina Magull (Inter Mailand), Sara Däbritz (Olympique Lyon) und Felicitas Rauch (Carolina Courage) aus unterschiedlichen Gründen ihre Stammplätze eingebüßt haben, werden jetzt wohl nur noch fünf ehemalige EM-Finalistinnen in der Startelf stehen. Spielführerin soll gegen Österreich Giulia Gwinn sein.

Allmählich bilden sich neue Teamsäulen heraus: Am bemerkenswertesten ist die Entwicklung von Sjoeke Nüsken, 23, die beim FC Chelsea zur Stammkraft aufgestiegen ist. "Ich bin megafroh, dass ich in England so viel spielen darf", sagt die torgefährliche Mittelfeldspielerin, die auch in der Persönlichkeit gereift wirkt. Nach eigenem Bekunden profitiere sie von "so vielen guten Mitspielerinnen" im Training und dem "robusteren und schnelleren Spiel" im Wettkampf. Voss-Tecklenburg hatte die Allrounderin im letzten Moment aus dem EM-Kader gestrichen, Hrubesch kommt an ihren Qualitäten nicht mehr vorbei.

Kommt Bibiane Schulze Solano zum Einsatz, kann sie nicht mehr für Spanien spielen

Der Bundestrainer hat offenbar Freude daran, den Umbruch zu gestalten: "Wir haben da ein bisschen was eingeleitet und sind mittendrin." Früher habe es doch immer geheißen, sein Kader käme bloß aus zwei Vereinen - Wolfsburg und Bayern. Das aktuelle Aufgebot setzt sich aus zehn Vereinen zusammen. Am besten wird die neue Vielfalt durch die erstmalige Berufung der 25-jährigen Bibiane Schulze Solano illustriert. Die im hessischen Bad Soden aufgewachsene und in Frankfurt ausgebildete Fußballerin, die 2019 zu Athletic Bilbao wechselte, bringt für Hrubesch "alles mit". Sollte die vielseitige Verteidigerin zu einem Kurzeinsatz für den DFB kommen, könnte sie die Nationalmannschaft nicht mehr wechseln - bei den beiden Einladungen des spanischen Verbandes hatte sie jeweils passen müssen.

Torhüterin Frohms, 28, ist vor ihrem 50. Länderspiel auf jeden Fall erfreut, frische Gesichter anzutreffen: "Es besteht jetzt eine Chance für andere Spielerinnen, präsenter zu sein." Am Montag geht die Reise aus der oberösterreichischen Marktgemeinde zurück in die Heimat, die nächste Aufgabe wartet dann bereits: das Qualifikationsspiel gegen Island in Aachen (Dienstag 18.10 Uhr/ZDF).

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