Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Nord gegen Süd

Lesezeit: 3 min

Nach Monaten der Ungewissheit ist sich die Liga einig: Im Dezember geht es los. Mit allen Klubs und verkürzten Playoffs. Ein großes Risiko bleibt.

Von Ulrich Hartmann, Köln/München

Bei den ruhmreichen Kölner Haien wurde die Strahlkraft eines Fußballers benötigt, um in letzter Sekunde eine Zusage zum Spielbetrieb geben zu können. Lukas Podolski ist in Köln Inhaber zweier Eisdielen sowie mehrerer Döner-Läden und wird demnächst aus Spaß auch mal für die Haie Eishockey spielen. Wenn sich sein heimatlicher Aktionsradius weiter so vergrößert, dann wird der 35-Jährige in Köln auch noch Karnevalsprinz, Dombaumeister, Muezzin in der Zentralmoschee und Oberbürgermeister. Fußball spielt er zurzeit in Istanbul.

Dass in Köln ohne Podolski offenbar nichts mehr geht, hat die dortigen Eishockeyfans nicht gestört. Im Gegenteil. Wochenlang haben die Haie nicht nur um die Teilnahme an der neuen Spielzeit in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gebangt, sondern offenbar sogar ums Überleben. Doch nachdem Podolski versprochen hatte, ins Haie-Trikot zu schlüpfen, sobald die Fans 100 000 karitative "Tickets" kaufen und den Haien so insgesamt eine Million Euro spenden würden, ging alles ganz schnell. Wenn die DEL am 17. Dezember ihre auf ein spezielles Corona-Format gestutzte, fünfmonatige Saison beginnt, dann werden auch die Haie dabeisein.

Köln und Krefeld haben dem Vernehmen nach die letzten formalen Zusagen gegeben. Da wurde es aber auch schon knapp. Am Donnerstag konferierten die Gesellschafter der 14 DEL-Klubs virtuell, woraufhin der Liga-Geschäftsführer Gernot Tripcke am Nachmittag in einer Pressekonferenz verkünden konnte, dass die bereits zwei Mal verschobene Saison nun also am 17. Dezember mit allen 14 Mannschaften beginnen kann. Allerdings spielen diese 14 Teams nicht wie sonst in der Hauptrunde vier Mal gegeneinander, sondern sie werden in zwei Divisionen aufgeteilt: in Nord und Süd.

Berlin, Wolfsburg, Bremerhaven, Iserlohn, Krefeld, Düsseldorf und Köln spielen in der Gruppe Nord. München, Straubing, Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg, Schwenningen und Mannheim spielen in der Gruppe Süd. Innerhalb der Divisionen spielen die Teams an 28 Spieltagen je vier Mal gegeneinander sowie divisionsübergreifend an 14 Spieltagen je zwei Mal. Das macht zusammen 38 statt sonst 52 Spieltage. Gespielt wird nahezu täglich. Am 20. April beginnen die Playoffs. In der ersten Runde, dem Viertelfinale, spielen die vier besten Teams einer Division untereinander (Eins gegen Vier, Zwei gegen Drei), im Halbfinale treten die beiden Nord-Teams gegen die beiden Süd-Teams an. Die Finalserie beginnt am 2. Mai. In allen Playoff-Serien genügen nach derzeitigem Plan zwei Siege zum Triumph ("Best of 3"). Alles wurde komprimiert - aus Zeit-, aus Kosten- und aus Pandemie-Gründen.

Normalerweise beginnt die Saison im September. Als Tripcke am Donnerstag gefragt wurde, ob man so eine Regelung zum Start der Saison nicht auch früher hätte finden können, antwortete er nur knapp: "Ich glaube nicht." Wochenlang waren die Profis in Kurzarbeit, und die staatliche Subvention aus der Corona-Hilfe von insgesamt etwa zehn Millionen Euro für die DEL (maximal 800 000 Euro pro Klub) wurde auch erst später beschlossen. Überdies verzichten die Profis auf Gehalt. "Auch jetzt tragen die Gesellschafter noch ein wirtschaftliches Risiko", sagt Daniel Hopp, Gesellschafter der Adler Mannheim und stellvertretender DEL-Aufsichtsratsvorsitzender, "aber durch das Konjunkturpaket ist dieses Risiko ein Stückweit kleiner geworden." Tripcke ist sich ziemlich sicher, dass die Saison selbst im schlimmsten Szenario - durchgängig ohne Zuschauer - zu Ende gespielt werden kann. "Die Erlöse der Klubs werden sich fast halbieren", prognostiziert er. Die Haie etwa machen 80 Prozent ihrer Einnahmen sonst rund um die Heimspiele, zu denen im Schnitt mehr als 13 000 Zuschauer kommen.

Am Donnerstag war es mehr als acht Monate her, dass die DEL am 10. März den Abbruch der Saison vermeldet hatte. Die Saison 2019/20 verzichtete auf Playoffs und einen Meister. Hauptrundensieger München hatte es von vornherein abgelehnt, sich zum Titelträger küren zu lassen. Die Chancen stehen aber gut, das im kommenden Jahr nachzuholen. Eher überschaubar erscheinen die Aussichten für die Kölner, erstmals seit 2002 wieder Meister zu werden. Daran kann auch Podolski nichts ändern. Wann und in welcher Art von Spiel er aufs Eis gehen wird, muss noch geklärt werden. "Wie auch immer das aussehen wird", sagt er, "ich freue mich, ein Haie-Spieler zu werden."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5120810
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.11.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.