Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Birdys Botschaft

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Die Straubing Tigers verlassen den letzten Platz in der Süd-Gruppe der Deutschen Eishockey Liga. Matchwinner beim 3:2 gegen Nürnberg ist Sebastian Vogl, eigentlich die Nummer zwei hinter Matt Robson.

Von Johannes Schnitzler, München

Eishockey-Torhüter und ihr Masken-Design: Das wäre mal ein spannendes Thema für eine wissenschaftliche Arbeit. Urvater dieser Kunstform, die so viel vom Innenleben ihrer Schöpfer zum Ausdruck bringt, war Peppi Heiß, ein kerniger Oberbayer. Heiß ließ sich damals, als er für die Kölner Haie spielte, das Maul eines Raubfischs auf die Maske sprühen. Ein Kranz aus messerscharfen Zähnen umrahmte sein vergittertes Gesicht und signalisierte jedem Stürmer: Achtung, bissig! Gegen Heiß sah Hannibal Lecter aus wie ein Guppy.

Der Helm ist für einen Schlussmann Schutz und Rückzugsort zugleich, er muss sich auf dieses bisschen Draht, Lack und Schaumstoff verlassen können. In jüngerer Zeit haben ihn einige Torhüter in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) außerdem als Medium entdeckt. Jochen Reimer etwa, Spitzname "Joker", ließ sich den Bösewicht aus den Batman-Comics aufmalen und die Ziffer 20 - die Rückennummer seines Freundes Robert Dietrich, der bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen ist. Oder Sebastian Vogl, Spitzname "Birdy": Sein Erkennungszeichen ist das Bibel-Zitat "Hiob 38, 11" ("Bis hierher sollst Du kommen und nicht weiter."). Auf seiner rechten Schläfe steht "vincerò", ich werde gewinnen, Höhepunkt der Arie "Nessun dorma" ("Niemand schlafe!") aus der Puccini-Oper "Turandot". Ein stiller Wächter, ein wachsamer Beschützer: feinste Torhütersymbolik. Und was soll man sagen: Mit Vogl im Tor besiegten die Straubing Tigers am Donnerstag die Nürnberg Ice Tigers 3:2 und reichten die rote Laterne in der DEL-Division Süd an die Franken weiter. Vogl war einer der Matchwinner.

Matt Robsons Bilanz: vier Spiele, vier Niederlagen

In Straubing gilt vielleicht noch mehr als anderswo, dass ein guter Torhüter die halbe Miete ist. Mit Barry Brust feierten die Tigers 2012 erstmals den Einzug ins Halbfinale, am kleinsten DEL-Standort damals eine Sensation. Brust war ein Exzentriker, der sich Gegner, nun ja, auch mal zur Brust nahm. Mit Jeff Zatkoff erreichten sie vergangene Saison Platz drei und qualifizierten sich erstmals für die Champions Hockey League. Zatkoff, 2016 Stanley-Cup-Sieger mit den Pittsburgh Penguins in der NHL, war der Typ erfahrener Rückhalt. Aber dann kam Corona: keine Playoffs, keine Champions League, und Zatkoff bat um Vertragsauflösung. Als Ersatz kam Matt Robson.

Robson, Zugang von den Iowa Wild aus der American Hockey League, ist 24 und ein talentierter Torhüter. Aber die Situation in Straubing verlangt mehr. Im frostigen Stadion am Pulverturm macht sich das Fehlen der Fans doppelt bemerkbar, auch finanziell sind die Tigers klamm. Und sportlich? Von den ersten sechs Partien gingen fünf verloren, viermal stand Robson im Tor. Den einzigen Sieg bis zum Donnerstag feierten die Tigers beim 5:2 gegen Ingolstadt. Mit Vogl im Tor.

Hoffnungsträger mit 47: Billy Trew ist zurück in Straubing

Weil ungewöhnliche Situationen ungewöhnliche Maßnahmen erfordern, holten sie Anfang der Woche Billy Trew zurück. Trew ist eine Legende in Straubing, sein Trikot hängt unterm Stadiondach. Zwar ist Trew schon 47 und hat seine Spielerkarriere vor zwei Jahren beendet. Aber er soll als "Development Coach" seine Erfahrung einbringen und, vor allem, die Stimmung aufhellen: Trew ist in Port Hope geboren. Hoffnung können sie gebrauchen in Straubing.

Die Hoffnung trug am Donnerstag den Namen Sebastian Vogl. Der 34-Jährige, seit 15 Jahren in der Liga, ohne sich je langfristig als Nummer eins etablieren zu können, hat seine flatterhaften Zeiten hinter sich. Also gab Trainer Tom Pokel ihm wieder einmal eine Chance. Die Partie begann mit einem Volltreffer - gegen Vogls Kopf. Die gute Nachricht: Sein Helm schützte ihn. Wenig später war Vogl jedenfalls geistesgegenwärtig genug, einen abgefangenen Puck schnell an Andreas Eder weiterzuleiten. Der Stürmer startete zu einem Solo über die gesamte Eisfläche und schloss es mit einem platzierten Schuss in den Winkel ab (9.). Vogl erhielt für seine Vorlage zum 1:0 einen Scorerpunkt - und ein Dankeschön von Eder.

Nürnbergs Moritz Elias trifft zum 1:1 und ist nun der drittjüngste DEL-Torschütze

"Wir müssen unsere Abwehr und unseren Torhüter besser unterstützen", hatte Stürmer Mike Connolly vor der Partie gefordert. "Das hat uns auch letztes Jahr stark gemacht", erinnerte Tim Brunnhuber. Das Bemühen darum war erkennbar. Aber auch, wie zerbrechlich das Straubinger Spiel noch ist. Keine drei Minuten nach dem Führungstreffer stand Moritz Elias völlig frei vor Vogl und durfte sein erstes Profi-Tor schießen; der 16-Jährige verdrängte damit einen gewissen Marco Sturm von Platz drei der jüngsten DEL-Torschützen. Im zweiten Drittel lautete das Schussverhältnis 12:0 für Straubing. Dumm nur: Es stand weiterhin 1:1. Erst im Schlussdrittel zahlte sich Straubings Aufwand aus. Kael Mouillierat traf zum 2:1 (49.), ehe abermals Eder mit dem 3:1 ins leere Tor den zweiten Saisonsieg klar machte (60.). Der verwandelte Penalty von Brett Pollock in der Schlusssekunde blieb Statistik. "Die haben einfach mehr gegeben als wir", konstatierte Nürnbergs Youngster Elias.

"Ich werde gewinnen": Mit zwei Erfolgen bei drei Einsätzen und einer Fangquote von 92,5 Prozent hat Vogl die Ankündigung auf seinem Helm eingelöst. Wie wichtig der Erfolg war, zeigt sich beim Blick auf die nächsten drei Gegner: München (18.1), Mannheim (22.1.), Schwenningen (25.1.) - die drei Führenden der Süd-Division. Matt Robson stand am Donnerstag übrigens nicht im Kader. An seiner Stelle auf der Bank saß die Nummer drei der Tigers, ein Mann mit dem vielversprechenden Namen Marco Eisenhut.

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