Süddeutsche Zeitung

Eintracht Frankfurt:Marco Russ: Eigentor, Gelb-Sperre, Tumor-Diagnose

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Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Traurig blickte Marco Russ nach oben. Vieles hatte sich in den Stunden vor dem Spiel zwischen Frankfurt und Nürnberg um den Verteidiger der Gastgeber gedreht: Am Mittwochabend war bei ihm eine Tumor-Erkrankung festgestellt worden. Kurz vor dem Anpfiff kam nach einer Konsultation mit den Ärzten die Bestätigung, dass er dennoch spielen wolle und werde. Alex Meier überließ ihm die Kapitänsbinde, und als die Mannschaft einlief, feierten ihn die Fans mit rührenden Sprechchören. Doch jetzt, nach 43 Minuten, hatte ausgerechnet Marco Russ eine lange Freistoßflanke der Nürnberger zum 0:1 ins eigene Tor gelenkt.

Schon vor dem Spiel hatten die Diskussionen begonnen, ob es richtig sei, Russ an diesem Abend einzusetzen. Nach all den aufregenden Stunden, nach der schrecklichen Diagnose und einem Besuch der Staatsanwaltschaft. Am Mittwoch hatte die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) dem Klub mitgeteilt, dass der Abwehrspieler nach der Partie in Darmstadt positiv auf das Wachstumshormon HCG getestet worden sei. Diese Substanz kommt bei schwangeren Frauen vor, ist aber schon öfter zum Dopen benutzt worden, weil sie die Testosteronbildung anregen kann. Wie bei erhöhten HCG-Befunden üblich, teilte die Nada dem Verein mit, dass das Ergebnis auch auf eine Krankheit zurückgeführt werden könne und forderte eine medizinische Abklärung.

Staatsanwaltschaft durchsucht Russ' Wohnung

Dies tat Frankfurt umgehend, und dabei kam es zur Tumor-Diagnose. Dieser Fall hat aber noch eine zweite Ebene. Aufgrund des neuen Anti-Doping-Gesetzes meldet die Nada Dopingfälle auch der zuständigen Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ließ daher am Mittwochabend mehrere Objekte durchsuchen: die Privatwohnung, das Hotelzimmer sowie den Kabinenspind von Russ. Beweismittel seien nicht sichergestellt worden, sagte eine Sprecherin. Bei der Eintracht führte dieser Vorgang zu großer Verärgerung.

Die Staatsanwaltschaft sagte, weder habe sie während der Durchsuchung ein Attest über eine Erkrankung erhalten noch liege ihr am Tag danach eines vor. Die Frage, ob die Eintracht ein Attest nun einreiche, beantwortete ein Sprecher mit dem Hinweis, dass am Donnerstag der schriftliche Befund der Untersuchung der Nada zur Verfügung gestellt worden sei. "Damit sind wir unseren Pflichten nachgekommen", sagte er. Die Staatsanwaltschaft sagt, dass ein Vorlegen eines Attests ohnehin nicht gleichbedeutend sei mit einem automatischen Ende der Ermittlungen. Sie möchte die Proben fachmännisch untersuchen lassen.

Russ holt sich Gelb ab

Für Frankfurt ist es das zweite Mal binnen kurzer Zeit, dass das Thema Doping eine Rolle spielt. Kurz vor dem Darmstadt-Spiel hatte Angreifer Änis Ben-Hatira in Sozialen Netzwerken ein Foto veröffentlicht, auf dem Kanülen, eine gefüllte Spritze sowie Ampullen zu sehen waren. Ein Behälter war mit "Lipotalon" beschriftet, das Mittel enthält Dexamethason. Dabei handelt es sich um ein Kortison, das im Wettkampf verboten ist. Ben-Hatira bestritt Doping, der Klub erklärte, dass das Foto "nichts mit der medizinischen Behandlung von ihm zu tun" habe.

Die Nada kontrollierte gleichwohl gegen Darmstadt mehr Spieler als üblich, darunter Marco Russ. Erst dadurch kam der HCG-Wert ans Licht - eine medizinische Untersuchung zu dieser Substanz habe es beim Abwehrspieler seit dessen Wechsel zur Eintracht 2013 noch nie gegeben, sagte ein Sprecher. Trotz der Diagnose wollte Russ aber unbedingt seinen Teil zum Kampf um den Klassenerhalt beitragen. Jetzt kann er es nicht mehr tun. In der zweiten Hälfte sah er Gelb - und ist im Rückspiel am Montag gesperrt.

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Quelle:
SZ vom 20.05.2016
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