Süddeutsche Zeitung

Denzel Dumfries:Europas Klubs werden sich um ihn reißen

Lesezeit: 3 min

25 Jahre, Rechtsverteidiger in Eindhoven und einer der auffälligsten Spieler der EM: Denzel Dumfries spielt sich bei den Niederlanden in den Fokus der Spitzenvereine. Doch billig wird er kaum zu haben sein - dafür wird Berater Mino Raiola schon sorgen.

Von Ulrich Hartmann, Amsterdam

Denzel Dumfries ist ein Phänomen. Oder ein Phantom? Sagen wir: beides. Eigentlich dürfte es seine offensive Verteidiger-Position im klassischen niederländischen 4-3-3-Fußball gar nicht geben. Als rechter Außenverteidiger, den er dieser Tage allerdings in einer Fünferabwehrkette spielt, ist er eine absolute Rarität in der Oranje-Chronologie. Noch phänomenaler ist allerdings, dass der zuvor international kaum bekannte 25-Jährige aus dieser unscheinbaren Position heraus bei der Europameisterschaft zum bislang auffälligsten Spieler der niederländischen Mannschaft avanciert.

Beim 3:2-Sieg gegen die Ukraine sowie beim 2:0-Erfolg gegen Österreich am Donnerstagabend war er mehr oder weniger direkt an allen fünf Treffern beteiligt. Er schoss zwei Tore selbst, bereitete eines konkret vor und leitete zwei weitere ein. Die Stars dieser Mannschaft heißen eigentlich: Memphis Depay, Georginio Wijnaldum, Frenkie de Jong und Matthijs de Ligt. Ihre Marktwerte sind astronomisch. Doch der neue Star am orangefarbenen Himmel ist mit Dumfries ein pekuniär noch unterbewerteter Fußballer, der beim PSV Eindhoven unter dem deutschen Trainer Roger Schmidt spielt sowie zuletzt zusammen mit den deutschen Profis Mario Götze, Philipp Max, Timo Baumgartl, Adrian Fein, Lars Unnerstall und Vincent Müller. Sein Vertrag bei PSV gilt noch bis 2023. Um Dumfries reißen sich von nun an die besten Klubs Europas - aber günstig wird er sicher nicht. Sein Berater, Mino Raiola, ist einer der gerissensten und gefürchtetsten Vertreter der Branche.

Dumfries' Vater stammt von der Karibikinsel Aruba, die Mutter aus Suriname im nördlichen Südamerika. Geboren wurde er in Rotterdam, mit 17 Jahren spielte er zwei Mal für die Nationalmannschaft Arubas. Mit 20 Jahren wurde er in die niederländische U 20 berufen. Sein erstes A-Länderspiel absolvierte er im Oktober 2018 in der Nations League gegen Deutschland. Die Niederlande gewannen 3:0 und stürzten die Löw-Elf in eine Krise. Dumfries spielte 90 Minuten durch als Rechtsverteidiger in einer Viererabwehrkette im klassischen niederländischen 4-3-3. Er war damals an keinem Treffer beteiligt, weil er unter dem Bondscoach Ronald Koeman nicht so offensiv agierte wie jetzt bei Frank de Boer im 5-3-2-System.

Dumfries war mehr oder weniger direkt an allen fünf Treffern der Niederlande beteiligt

Doch bei der EM kommt jetzt Dumfries groß heraus. Vor Wijnaldums 1:0 gegen die Ukraine brachte er den Ball von rechts herein, vor dem 2:0 durch Wout Weghorst sprintete er mit dem Ball kraftvoll in den Strafraum. Fünf Minuten vor Schluss köpfelte er nach einer Flanke von Nathan Aké sogar den 3:2-Siegtreffer. Das war sein erstes Tor für Oranje.

Vor dem 1:0 gegen Österreich trat ihm David Alaba im Strafraum auf den Fuß. Memphis Depay verwandelte den fälligen Elfmeter. Und das finale Tor zum 2:0 erzielte Dumfries wieder selbst: in der 67. Minute auf Vorlage von Donyell Malen, seinem 22 Jahre jungen Kollegen von PSV Eindhoven. Dumfries wurde nach beiden Spielen von der Uefa als Spieler des Spiels ausgezeichnet. "Schön, dass ich bei allen fünf Treffern dabei sein durfte", sagte er Donnerstagnacht in der Pressekonferenz und musste spontan lachen über so viel fast schon absurd anmutende Demut. Er fühlt sich vermutlich wie in einem Traum, hält sich aber lieber noch bedeckt. Der ARD sagte er in einem Interview: "Das Turnier ist noch lang, und unser Fokus liegt auf einer größeren Geschichte."

Oha. Das klingt, als wollte Denzel Dumfries, als wollten die Niederlande tatsächlich Europameister werden. Und auch der Trainer de Boer sagte Donnerstagnacht: "Wir müssen im Turnier weiter wachsen, aber mal sehen, was man von uns noch zu sehen bekommt; mal sehen, wo das Ganze endet."

Die niederländische EM-Platzierung dürfte für die Zukunft von Denzel Dumfries nicht mehr relevant sein. Er hat den Durchbruch bereits geschafft. Bayern Münchens Sportchef Hasan Salihamidzic soll Kontakt zum Berater Raiola aufgenommen haben. Und da wäre er gewiss nicht der Einzige. Offensive und torgefährliche Rechtsverteidiger sind in der Branche derzeit so selten wie begehrt. In mindestens zwei Spielen (Montag gegen Nordmazedonien und übernächsten Sonntag als Gruppensieger im Achtelfinale in Budapest) kann er weiter zeigen, was er draufhat. Und vielleicht ja sogar in noch mehr Partien. Es liegt auch an ihm, wie weit die Niederlande bei dieser EM kommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5325899
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.