Süddeutsche Zeitung

DTM:Die Tür von Hockenheim

Lesezeit: 3 min

Erst im letzten Saisonrennen an diesem Sonntag fällt die Entscheidung über den DTM-Sieger. Denn Titelverteidiger René Rast verhindert am Tag zuvor den Triumph von Mercedes - mit Hilfe des Safety Cars.

Von Anna Dreher, Hockenheim

Timo Glock saß auf einem Barhocker mit einem Mikrofon in der Hand, auf dem Boden eine sehr große Champagnerflasche, und wunderte sich. "Normalerweise ist der Renngott zwei oder drei Mal bei dir. Aber dann geht er zu einem anderen", sagte Glock. "Keine Ahnung, was René ihm bezahlt hat, dass der ihm so die Treue hält. Es ist schon verrückt, das so aufrechtzuerhalten. René macht gerade einfach alles richtig." René Rast saß neben Glock. Er schmunzelte. Der Audi-Pilot hat am Samstag in einem spannenden und hart umkämpften Rennen zum fünften Mal nacheinender gewonnen. Das ist vor ihm in der Geschichte des Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) keinem anderen Fahrer gelungen. Viel wichtiger für ihn aber: Mit dem Sieg vor Robin Frijns (Audi) und Glock (BMW) hat der 31-Jährige seine Chance auf den Titelgewinn bis zum letzten Saisonrennen am Sonntag (13.30 Uhr/Sat1) aufrechterhalten.

Mercedes war als großer Favorit nach Hockenheim gereist - und wurde dann zum großen Verlierer. Die Stuttgarter, die nach 30 Jahren aus der DTM aussteigen und in die Formel E wechseln, haben bereits die Hersteller- und Teamwertung gewonnen. Bei den Fahrern lag Mercedes vor dem Rennen am Samstag mit zwei Meisterschaftskandidaten vorne: Paul Di Resta (229 Punkte) und Gary Paffett (227) hatten einen deutlichen Vorsprung auf Rast (199). Sie liegen immer noch vorne, Paffett mit 238 Zählern, Di Resta mit 233. Aber eben nicht uneinholbar. "Mercedes hat jetzt ganz schön Druck, die haben die Hosen ein bisschen voll", sagte Rast angesichts der Konstellation. Den vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft und damit das Triple zum Abschied hat Mercedes verpasst. Weil nichts nach Plan lief? "Es lief schon nach Plan. Nur der Plan war halt scheiße", sagte Teamchef Ulrich Fritz. Für Rast ist mit nun 224 Punkten die Wiederholung einer Sensation weiterhin möglich: Schon im vergangenen Jahr düpierte er im letzten Rennen als Neueinsteiger seinen erfahrenen Markenkollegen Mattias Ekström - und schnappte ihm den Titel weg.

So gut wie Rast harmoniert im letzten Saisondrittel keiner mit seinem Auto

"Was war das für ein Rennen? Unglaublich", sagte Rast. "Man wacht ja jeden Tag auf und hofft auf einen guten Tag. Aber dass ich hier den fünften Sieg hole..." Der Mindener war befreit in die verbleibenden Entscheidungen gegangen. Druck hatte er sich keinen gemacht, weil er ja wusste: um noch eine realistische Chance zu haben, würde alles perfekt laufen müssen. Darauf wollte sich Rast nicht verlassen - bei allem Vertrauen auf seine eigenen Fähigkeiten und die seines Autos, die schon in Spielberg und am Nürburgring harmonierten. In der Eifel zudem mit einem weiteren DTM-Rekord: Rast war an beiden Tagen als Erster gestartet und als Erster über die Ziellinie gefahren. Die maximale Ausbeute von 56 Punkten hatte zuvor noch niemand in der DTM geholt. So gut wie er ist im letzten Saisondrittel keiner. "Man muss sich das Gesamtbild anschauen", sagte Audi-Motorsportchef Dieter Gass. "Wir haben überall Details verbessert. Und René ist mit einem Lauf, wie er ihn gerade hat, nur schwer aufzuhalten."

Entscheidend war der Moment, als auf dem Hockenheimring eine Tür lag. Es war der Moment, als Mercedes mit Paffett letztendlich den vorzeitigen Gewinn des Fahrertitels verpasste. Und Audi mit Rast seine Chancen darauf wahrte. In der 28. Runde war die Tür vom BMW des Brasilianers Augusto Farfus auf der Fahrerseite abgeflogen. Das Safety Car fuhr auf die Strecke. Beim Neustart kam Rast am besten weg - und Paffett nicht hinterher. Zuvor hatten sich beide ein langes Duell geliefert, bei dem die Führung permanent wechselte. Während Rast sich dann an der Spitze vom restlichen Feld absetzen konnte, wurde der 37-jährige Engländer in der 30. Runde von Glock und zwei Durchgänge später auch noch von Frijns überholt. Und Di Resta schien erst auf seinem sechsten Platz festgewachsen, am Ende wurde er jedoch Achter.

Was so gut begonnen hatte, wurde auf einmal zum Drama für Mercedes. "Das war nicht das Rennen, das wir uns gewünscht haben", sagte Fritz. "Bis zum Safety Car sah es noch gut aus, aber danach waren die anderen einfach schneller. Wir müssen definitiv über Nacht schauen, dass wir noch was finden. Das wird morgen ein harter Kampf um den Titel."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4168822
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.10.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.