Süddeutsche Zeitung

DFB-Stürmer:Beim Müller scheppert's nimmer

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"Alles gut", beteuert der Stürmer des FC Bayern, der bei der EM noch immer sein erstes Tor sucht. Wirklich alles gut?

Von Christof Kneer, Lille/Évian

Stürmer sind nicht wählerisch, sie nehmen alles. Sie lieben kleine Tore, große Tore, schöne Tore, hässliche Tore, sie lieben entscheidende Tore, aber sie lieben auch den Schuss zum 5:0. An Tagen, an denen sie nicht treffen, nehmen sie als Ersatz auch einmal den sogenannten Assist, der früher Torvorlage hieß.

Fast hätte es für Thomas Müller in der Nachspielzeit zur Torvorlage gereicht, aber Toni Kroos scheiterte in der 91. Minute am slowakischen Torwart.

Plötzlich macht Müller andere Gesichter

"Alles gut", sagte Thomas Müller nach dem 3:0, zu dem er kein Tor beisteuerte. "Alles gut" ist eine etwas verdächtige Phrase, beim Trainer Jürgen Klopp hat man sich zum Beispiel immer darauf verlassen können, dass gar nichts gut war, wenn er "alles gut" sagte.

Vielleicht ist das auch bei Müller so, man weiß das ja nie so genau bei diesem Burschen, der sich in der Öffentlichkeit auf lustige Gesichter und lässige Sätze spezialisiert hat. Auf dem Rasen ertappt man ihn manchmal bei anderen Müller-Gesichtern, man sieht ihn nicht selten auf Schiedsrichter, Gegen- oder Mitspieler einreden, und nicht immer macht er dabei einen Witz. Aber auch nach diesem Achtelfinale hat er wieder seine professionelle Lockerheit aktiviert, "ich bin bisher mit meinem Turnier und dem Turnier der Mannschaft zufriedener, als ihr vielleicht denkt", sagte er.

Es werde ihm "anscheinend nicht geglaubt, aber ich mache meinen Zustand nicht an meinen Toren fest". Es gehe mehr darum, dass die Mannschaft "ihre Top-Performance" auf den Platz bringe, da versuche er, seinen Beitrag zu leisten, und "dementsprechend bin ich sehr zufrieden". Aber natürlich, sagte Thomas Müller, arbeite er daran, "dass es auch bei mir selber wieder scheppert".

Beim Müller scheppert's nimmer, das ist ja keine Nachricht mehr, das ist eher so eine Art Sensation. Am Anfang dieses Turniers hat der bayerische Lückenkraxler noch darunter gelitten, dass ihm die Mitspieler keine Lücken aufgemacht haben, aber inzwischen gibt's die Lücken ja längst, und er zwängt sich manchmal sogar durch. Aber dann trifft Müller halt Latte, Pfosten oder irgendwas daneben oder darüber.

Er kämpft sehr ernsthaft um sein Tor, aber er versucht, sich dabei die Müller-Laune nicht nehmen zu lassen, und er weiß ja, Müller-Sprüche gehen immer. Da habt Ihr aber gestaunt, Ihr Journalisten, hat er nach dem 1:0 im letzten Gruppenspiel gegen Nordirland gewitzelt, das er technisch schön für Mario Gomez vorbereitet hatte, der dann technisch schön vollendete. "Dabei habt Ihr immer geglaubt, wir hätten Bügeleisen im Schuh."

Rationale Gründe gibt es nicht

Thomas Müller sucht ein Tor - diese erstaunliche Geschichte geht nun am Samstag in Bordeaux weiter. Tatsächlich gibt es ja keine rationalen Gründe, warum dieser Müller bei zwei Weltmeisterschaften bisher zehn Tore erzielt hat und bei anderthalb Europameisterschaften bisher null.

Er weiß nur, dass er der Mannschaft all die Jahre mit seinen Toren immer geholfen hat. Und er hofft halt, dass die Mannschaft jetzt ihm hilft.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2016
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