Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal, Achtelfinale:Beginn der Erntezeit

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Mit einem beängstigend lockeren 5:1 beim VfB Stuttgart zieht der FC Bayern ins Pokal-Viertelfinale ein.

Der Auftrag war so klar formuliert, dass er auf keinen Fall misszuverstehen war: Jetzt sei Erntezeit, hatte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vor dem Pokalspiel beim VfB Stuttgart gesagt und nebenbei noch mal kurz erklärt, dass "Trainer bei Bayern am Erfolg und natürlich an Titeln gemessen" werden. Titeln, das ist Plural - und so hatte Rummenigge ein handelsübliches DFB-Pokal-Achtelfinale mal eben in ein kleines Endspiel verwandelt. Weil man nicht davon ausgehen kann, dass die Bayern mal eben die Champions League gewinnen, eignet sich der Pokal besonders gut für einen zweiten Titel - neben der Meisterschaft, versteht sich, die beim FC Bayern allen Hoffenheimern zum Trotz vorausgesetzt wird.

"Auf einem guten Weg" sei Jürgen Klinsmann, hatte Rummenigge auch gesagt - nach Ansicht dieses Pokalspiels dürfte er "gut" durch "sehr, sehr gut" ersetzen. Mit 5:1 (3:0) spazierten die Bayern nach Toren von Schweinsteiger (14., 55.), Ribéry (16.), Toni (43.), Zé Roberto (59.) bei einem Gegentor von Gomez (85.) beängstigend locker ins Viertelfinale, wobei sich die Stuttgarter aber Mühe gaben, wie einer jener Viertligisten zu spielen, die im Pokal manchmal auch mitmachen dürfen.

Es war ein Spiel, das nicht viele Fragen offen ließ, außer einer vielleicht: Fanden die Bayern nach einer Viertelstunde so gut ins Spiel, weil die hochgewetteten Stuttgarter erschreckend passiv waren? Oder waren die hochgewetteten Stuttgarter so erschreckend passiv, weil die Bayern von Anfang an keinen Zweifel daran ließen, dass sie Rummenigges Ernte-Auftrag vollumfänglich verstanden hatten?

Es war wohl eine Mischung aus beidem - und natürlich profitierten die Münchner auch davon, dass sie mit einer Elf aufliefen, die sich kennt und vertraut. Außer dem neu ins Team gerückten Christian Lell (für den in der Liga gesperrten Massimo Oddo) spielte exakt jene Bayern-Elf, die einen so erfolgreichen Spätherbst hinter sich hat.

Hingegen sah sich Stuttgarts Trainer, nein: Teamchef Markus Babbel gezwungen, ein System in Auftrag zu gaben, das die Mannschaft nicht kennt: In Ermangelung geeigneter Stürmer (Cacau verletzt, Marica mit Trainingsrückstand auf der Bank) beließ es Babbel bei Mario Gomez als einzige Spitze - er war auch eine einsame Spitze, weil sich Yildiray Bastürk immer wieder zwischen Angriff und Mittelfeld verlief. Er wählte überraschende Laufwege, das schon, aber das Problem war, dass die Laufwege die eigenen Mitspieler überraschten, keinesfalls aber die Bayern.

Besonders überrascht schien die Stuttgarter Defensive zu sein; unter Neu-Trainer, nein: Neu-Teamchef Babbel hatte sie bisher ein ganz gutes Leben gehabt, weil die VfB-Elf so offensiv spielte, dass die Defensive nicht so viel zu tun hatte. An diesem Abend aber hatte Stuttgarts Defensive gar kein gutes Leben: Sobald die Bayern schnell spielten (und das taten sie oft) oder listig das Tempo wechselten (und das taten sie oft), löste sich die Abwehr auf wie eine Brausetablette.

Schon nach zehn Minuten war zu erkennen, dass die Stuttgarter Abwehr offenbar konzentriert darüber nachdachte, wie man den DFB davon überzeugen kann, dass Markus Babbel auch ohne Lizenz Trainer bleiben darf - vor lauter Nachdenken vergaßen sie leider, Demichelis zu decken, der freistehend drüberköpfte. Vier Minuten später dachte die VfB-Defensive womöglich darüber nach, wohin wohl Mario Gomez wechselt - jedenfalls hatten sie überhaupt keine Zeit, den schlimmen Abspielfehler auszubügeln, der Linksverteidiger Boka unterlaufen war. Schweinsteiger durfte ungestört aus halbrechter Position das 1:0 erzielen.

Wer weiß, worüber die Stuttgarter sonst noch so alles nachdachten, über die Zukunft von Torwart Jens Lehmann, die Handball-WM oder die Abwrackprämie - jedenfalls hatten sie überhaupt keinen Kopf für dieses Fußballspiel, weshalb Ribéry mal eben Zé Roberto bedienen durfte, dessen Flanke Toni und Klose verfehlten, worauf Ribéry das 2:0 eben selbst schoss. So beeindruckend souverän war das, dass Ribéry sich unbedingt eine kleine Dreistigkeit leisten musste: Einen Elfmeter lupfte er frech in die Tormitte - dabei hatte er leider vergessen, dass er es auf der anderen Seite mit dem sommermärchengeprüften Elfmeterhelden Jens Lehmann zu tun hatte, der Dreistigkeit mit Dreistigkeit konterte. Der blieb einfach stehen und fing den Ball (21.).

Solche Szenen können reichen, um Spiele kippen zu lassen, aber die Stuttgarter waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um das Potential dieses Fehlschusses zu erkennen. Als Toni kurz vor der Pause nach feiner Vorarbeit von Ribéry die VfB-Defensive erneut übertölpelte (43.), war dieses Spiel im Grunde entschieden. Endgültig entschieden war es, als das vermeintliche 1:3 des eingewechselten Marica kurz nach der Pause (47.) wegen Abseits zurückgepfiffen wurde.

Zé Roberto (55.) und Schweinsteiger (59., Elfmeter) schraubten das Ergebnis weiter in die Höhe, und Mario Gomez' Treffer zum 1:5 (84.) half den Stuttgarter auch nicht mehr wirklich weiter. Sie kassierten die erste Niederlage unter Teamchef Markus Babbel, während der FCBayern die Rückrunde mit einem machtvollen Statement eröffnet.

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SZ vom 28.01.2009
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