Süddeutsche Zeitung

Deutsches Davis-Cup-Team:Endlich Schnitzel mit Pommes

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Philipp Kohlschreiber rettet das deutsche Davis-Cup-Team vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit - auch weil der neue Teamchef ihm Sonderwünsche gewährt.

Kommentar von Philipp Schneider

Am Montag twitterte auch noch Tommy Haas seine Gratulationen in Richtung des Helds von Santo Domingo. "@Kohlscribbler wie so oft sehr stark", schrieb Haas, und was war das auch bitte für eine Wahnsinnsgeschichte: Wie Kohlscribbler, der in der analogen Welt Philipp Kohlschreiber heißt, die deutsche Mannschaft beim 4:1 im schwülen Klima der Dominikanischen Republik fast im Alleingang gerettet hatte vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit, die im Tennis-Davis-Cup "Europa-Afrika-Zone 1" heißt. Drei Spiele, drei Siege. Und für diese Großtat gegen die Baseballnation benötigte er nur drei Tage, von Freitag bis Sonntag.

Kohlschreiber sei nun "sicher der Leitwolf", er sei gereift, lobte DTB-Präsident Ulrich Klaus, der Kohlschreibers Wandlung vom vermeintlichen Tennis-Egoisten zum Mannschaftsspieler als politischen Triumph feiern darf. Zuvor hatte sich Kohlschreiber in seiner erstaunlich bewegten Davis-Cup-Geschichte immer wieder mit seinen Chefs überworfen - weswegen Patrik Kühnen und Carsten Arriens ihre Ämter verloren.

Kohlschreiber mag mit 31 tatsächlich gereift sein. Aber hat sich nicht auch der Boden im deutschen Team verändert, auf dem Kohlschreiber wandelt, seit Michael Kohlmann Kapitän ist?

Der Nummer eins geht es gut

Seit November 2014 ist Klaus Präsident; damals wurde auch Dirk Hordorff zum Vizepräsidenten gewählt, zuständig für Leistungssport. Anfang des Jahres machte sich Hordorff auf die Suche nach einem Nachfolger für Arriens, der als Kernkompetenz mitbringen sollte, mit Kohlschreiber klarzukommen. In Hordorffs Ressort machte der Plan eines Strategiewechsels im Davis-Cup-Team die Runde, den ein Insider so umschrieb: "Wenn die Spieler Schnitzel mit Pommes wollen, warum gibt man ihnen nicht Schnitzel mit Pommes?"

Zur Schnitzeltaktik gehörte die Berufung von Fitness- und Mentaltrainer Carlo Thränhardt ins Team, der Kohlschreiber bereits zuvor privat beraten hatte. Inzwischen lassen sich fast alle deutschen Profis vom ehemaligen Weltklasse-Hochspringer betreuen. Thränhardt reiste vor dem Davis Cup mit Kohlmann zu den US Open. Kohlmann störte es auch nicht, dass Kohlschreiber nicht das einwöchige Trainingslager mit dem Team in Florida absolvierte. Nach seinem Aus in der dritten Runde von New York flog Kohlschreiber nach Kitzbühel. Dort ging er golfen. Und in Santo Domingo traf er am Montag ein, nicht schon am Sonntag wie die Kollegen. Weil er lieber mit einer deutschen als einer spanischen Airline reisen wollte. Alles kein Problem.

Kohlmann spürt: Wenn es der Nummer eins gut geht, geht es auch dem Teamchef gut. Zumindest, solange unstrittig ist, wer die Nummer eins ist.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2015
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