Süddeutsche Zeitung

Deutsche Sportlandschaft:Gegen die Monokultur

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Der EHC München steht im Finale der Eishockey Champions League - doch ein Hype bleibt trotz TV-Quotenrekord aus. Warum?

Von Johannes Schnitzler

Wenn der Schweizer Martin Baumann deutschen Journalisten begegnet, erzählt er reflexartig die "Cinderella-Story". Baumann, ein ehemaliger Banker, ist Geschäftsführer der Champions Hockey League (CHL), die seit ihrem Gründungsjahr 2014 bis zu sechs deutsche Teilnehmer pro Saison zuließ. Die Deutsche Eishockey Liga (DEL) liegt bei den Besucherzahlen hinter Fußball auf Platz zwei, mit Weltmarken wie VW, SAP und Red Bull verfügt sie über Sponsoren, die einem Banker das Kassenklingeln in die Ohren treiben. "Deutschland spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der CHL", echote Baumann Jahr für Jahr. Das Problem: Jahr für Jahr flogen die DEL-Klubs aus dem Turnier, bevor die CHL ein deutsches Gesamtinteresse hätte wecken können. Als am Dienstagabend in Göteborg nun erstmals ein Team aus der DEL sogar im Finale stand, jubelte Baumann: "Das war doch jetzt eine Cinderella-Story, oder?"

Jein. Der EHC München hat zwar auf dem großen Ball debütiert. Der Prinz, ein Pokal in silberner Rüstung, hat sich dann aber doch wieder für diese dralle Schwedin namens Frölunda entschieden. Aus dem Aschenputtel CHL ist ein properes Ding geworden, Sport1 meldete einen neuen Zuschauerquotenrekord. Einen "medialen Hype" wie Baumann haben die deutschen Profis aber nicht verspürt.

In den vergangenen Wochen war ja eine Grundsatzdebatte darüber geführt worden, ob die sportdeutsche Medienlandschaft eine Fußball-Monokultur ist. Als die DEL im Januar ihr Winter Game austrug und 50 000 Menschen zu einem Punktspiel zwischen Kölner Haien und Düsseldorfer EG ins Fußballstadion nach Müngersdorf strömten, berichteten die Öffentlich-Rechtlichen darüber - gar nicht. Haie-Profi Moritz Müller beklagte sich danach über die TV-Ignoranz: "Und das in der Fußball-Winterpause und nur ein Jahr nach dem Olympia-Erfolg." Der Münchner Yannic Seidenberg sagte nach dem CHL-Finale: "In München und auf ein paar Sportseiten war was über uns zu lesen, klar." Gehyped wirkte er nicht.

Dabei haben die Handballer gerade erst bewiesen, dass man die große Öffentlichkeit durchaus begeistern kann. Zehn Millionen saßen während der emotionalen Heim-WM bei ARD und ZDF in den ersten beiden Reihen. Vor einem Jahr im olympischen Finale fieberten fünf Millionen mit den deutschen Eishockeyspielern - sonntagmorgens um 5 Uhr!

Die Rechnung ist relativ einfach, das weiß auch Seidenberg: "Wenn der Erfolg da ist, bekommt man mehr Aufmerksamkeit." Erfolg schafft Relevanz. Erfolg macht sexy. Emotion erzeugt Spannung. Und die größte Aufmerksamkeit bekommt eben die Nationalmannschaft. Der Individualsport macht es vor: Sobald eine schwarz-rot-goldene Flagge im Bild ist, schauen die Deutschen zu, Biathleten, Skispringern, Rodlern. Die gewinnen halt auch oft. Oder stürzen telegen ab.

Ausgerechnet der Fußball könnte den Aschenputtel-Sportarten nun zu mehr Bildschirm-Präsenz verhelfen. Während die Champions League nur noch auf Pay-TV-Rasen spielt, können die deutschen Eishockeyprofis bei der WM im Mai weiter an der Popularität ihrer Sportart arbeiten. Die Basketballer haben im September ihre WM-Chance. "Wir machen unseren Job, mehr können wir nicht tun", sagt Seidenberg. Dabei hat er schon bewiesen, dass mehr geht. Als er auf dem Flug nach Olympia zufällig neben Lindsey Vonn zu sitzen kam, postete er ein gemeinsames Selfie und schrieb dazu: "Eine Wintersportlegende - und Lindsey Vonn." Das Bild machte Seidenberg schlagartig weltbekannt. Chance clever genutzt.

Eine Einladung zum Ball allein reicht noch nicht, um die Asche aus den Kleidern zu schütteln. Man muss in den gläsernen Schuhen schon auch tanzen.

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Quelle:
SZ vom 09.02.2019
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