Süddeutsche Zeitung

Deutsche Biathlon-Männer verpassen Gold:Tragischstes Team der WM

Lesezeit: 3 min

Nach dem Einzelrennen stehen die deutschen Biathlon-Männer noch immer ohne Goldmedaille da. Für die Athleten ist dies schwer zu begreifen, stets vermasseln sie das letzte Schießen. An mangelnder Konzentration liegt es nicht, sagt der Bundestrainer. Doch woran dann?

Carsten Eberts, Ruhpolding

Fritz Fischer, der alte Biathlon-Recke, schaltete als Erster in einen anderen Modus. "Keine andere Mannschaft war so stark wie wir", lobte der Disziplintrainer der deutschen Biathleten, "nicht die Norweger, nicht die Franzosen." Dann stellte sich jedoch heraus, dass Fischer nur der Galgenhumor gepackt hatte: "Welche Mannschaft kann es sich schon leisten, drei Weltmeistertitel herzuschenken?"

Mit einer Nacht Abstand, wenn man wirklich begreift, was beim 20-Kilometer-Einzelrennen am Dienstag geschehen ist, hilft wohl nur noch Galgenhumor weiter. Kurz vor dem finalen Schießen des knüppelharten Rennens hatten die deutschen Männer noch drei Kandidaten für die Goldmedaille: Arnd Peiffer, Andreas Birnbacher und sogar Michael Greis, der erst kurz vor der WM richtig fit geworden war. Wer auch beim vierten Schießen fehlerfrei bleibt, gewinnt Gold, das war klar. Im besten Fall landen sie zu dritt auf dem Podium.

Doch es kam ganz anders: Peiffer schoss zwei Fehler, seine beiden Kollegen je einen. Überraschend gewann der Slowene Jakov Fak, die Deutschen gingen beim dritten Einzel-Start zum dritten Mal leer aus. Am Ende waren die drei Goldanwärter Vierter (Birnbacher), Siebter (Peiffer) und Elfter (Greis). Dabei hatten sie jeweils ein fulminantes Rennen gezeigt und dreimal so sicher geschossen, als wollten sie nie wieder eine dieser kleinen, schwarzen Scheiben verfehlen - bis zur entscheidenden Runde.

Die deutschen Männer sind damit das tragischste Team der WM - warum es so kam, kann niemand so recht erklären. "Es war saumäßig eng. Und für eine Medaille muss alles passen", versuchte es Peiffer. "Wenn man sieht, dass es sonst Gold gewesen wäre, ist das schon bitter", klagte auch Birnbacher. Greis ergänzte: "Die Medaille wäre eine Erlösung gewesen. Schade, dass keiner durchgekommen ist."

Bundestrainer Uwe Müßiggang, der am Dienstag viel gejubelt, Fäuste geballt und am Ende die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hatte, fasste es schließlich so zusammen: "Sie standen alle drei so dicht vor dem Weltmeistertitel. Und haben alle drei einen Fehler zu viel geschossen." Eine lapidare Erklärung.

Die Frage muss schließlich sein, weshalb die deutschen Männer beim finalen Schießen so häufig wackeln. Fehlt die letzte Konzentration? Ist es ein Kopf-Problem? "Mangelnde Konzentration war es sicher nicht. Eher Überkonzentration", sagte Müßiggang. Was er wohl meinte: Wenn der Schütze so sehr will, dass die letzte Scheibe fällt - und irgendwas in seinem Kopf plötzlich blockiert. Es ist ein bekanntes Problem, gerade bei einer Heim-WM (wenn man nicht gerade Magdalena Neuner heißt).

Wer die tragischste Figur im deutschen Team war, ist schwer zu sagen. Arnd Peiffer hatte schon bei der Mixed-Staffel im letzten Schießen zwei Scheiben verfehlt, was dem deutschen Team die sicher geglaubte Goldmedaille raubte. Auf dem Schießstand ganz rechts im Stadion war er von der einfallenden Nachmittagssonne geblendet worden, als Ausrede wollte er dies jedoch nicht gelten lassen. Peiffer nahm die Fehler auf seine Kappe.

Diesmal hätten fünf Treffer Peiffer, der wie schon in der Verfolgung mit einer unglaublichen Laufzeit unterwegs war, die sichere Goldmedaille bedeutet, ein Fehler wohl immerhin noch eine Medaille. Es wurden zwei Fehlschüsse - und Platz sieben. "Beim vierten Schießen steht man nicht mehr so sicher", erklärte Peiffer später, "und der letzte Schuss im am schwersten, weil man schon am längsten steht."

Andreas Birnbacher, der nur 30 Autokilometer von Ruhpolding entfernt in Schleching aufgewachsen ist, läuft gerade die Saison seines Lebens, ging bei der Heim-WM aber bislang leer aus. Im Einzelrennen hatte er 19 Schüsse sicher ins Ziel gebracht - erst der zwanzigste, der den WM-Titel bedeutet hätte, ging daneben.

Birnbacher lag trotzdem auf Bronze-Kurs, hatte im Ziel jedoch 0,8 Sekunden Rückstand auf den Tschechen Jaroslav Soukop, der eine furiose Schlussrunde lief. Weniger als eine Sekunde Rückstand nach 20 Kilometern - Birnbacher musste selbst bitter lachen.

Für die Staffel, immerhin, ist das deutsche Quartett nach dieser Leistung der Topfavorit. Drei Goldkandidaten - so viele hatte kein anderes Team. Bleibt die Frage, welche Taktik sie wählen: Am besten laufen sie so gut, dass der Schlussläufer - normalerweise Peiffer - vor dem finalen Schießen mindestens zwei Minuten Vorsprung hat. Und sich dreimal Nachladen samt zweier Strafrunden locker leisten kann.

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