Süddeutsche Zeitung

Schalke gegen Dortmund:Der verzweifelt erhoffte Derbyeffekt bleibt aus

Lesezeit: 3 min

Der BVB besiegt Schalke 4:0 und überanstrengt sich dabei nicht. Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen sich in Gelsenkirchen jetzt wohl nur noch Menschen, die in ihrer eigenen Fußballwelt leben.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Draußen an den Parkplätzen hatten sich zur Feier des Tages ein paar Fans eingefunden. Ein Mann mit Megafon stimmte Schmähgesänge auf Erling Haaland an, aber das Echo blieb bescheiden - der Chor aus einem Dutzend Stimmen antwortete ohne Leidenschaft.

Drinnen im Stadion war es um die Überzeugung der Schalker, den BVB in diesem 180. Revierderby besiegen zu können und das Schicksal im Abstiegskampf zu wenden, allerdings auch nicht viel besser bestellt. Die Partie gab den Abstand, der in der Tabelle zwischen dem Sechsten und dem Achtzehnten besteht, im Wesentlichen wieder. Die Schalker setzten den Dortmundern erst dann ernsthaft zu, als der Spielstand bereits eine klare Tendenz vorgegeben hatte.

Nach der Pause überraschten die Hausherren ihre Gäste, indem sie den Angriff suchten, Druck machten und sich einige Chancen erspielten, aber das Feuer brannte bloß eine Viertelstunde. Dann setzte Raphael Guerreiro nach Doppelpass mit Marco Reus durch das 3:0 dem Aufbegehren ein Ende (60.). Am Ende nahmen die Dortmunder durch einen unumstrittenen 4:0-Sieg die drei Punkte mit und hatten sich dabei nicht überanstrengt. Der von manchem Schalker verzweifelt erhoffte Derbyeffekt, der die ungleichen Kräfteverhältnisse nach Art einer Pokalpartie für 90 Minuten aufhebt, blieb aus. Dass die Dortmunder Spieler ihren Erfolg vor der menschenleeren Gästekurve demonstrativ bejubelten und besangen, hinterließ einen etwas makabren Eindruck.

Dabei hatten die Schalker in Person von Benjamin Stambouli selbst für den Doppelschlag vor der Pause gesorgt, von dem sich die Mannschaft nicht mehr erholte. Der Mittelfeldspieler verlor vor dem eigenen Strafraum den Ball an Dortmunds Außenspieler Mateu Morey. Es war ein Fehler der unverzeihlichen Art, und zudem nicht der erste des eigentlich hinreichend erfahrenen Profis. Jadon Sancho bedankte sich und schoss schmucklos ins Tor, in dem der 35 Jahre alte Ersatztorwart Michael Langer soeben erst Posten bezogen hatte (42.). Ralf Fährmann, die Nummer eins, hatte nach einer halben Stunde die Arbeit einstellen müssen - Probleme mit der Bauchmuskulatur.

Dieses war nicht der erste personelle Rückschlag beim ohnehin von Verletzungspech hart getroffenen Tabellenletzten. Shkodran Mustafi stand zwar auf dem Aufstellungsbogen, nicht aber auf dem Platz. Muskuläre Probleme verhinderten nach dem Warmlaufen seinen Einsatz. Linksverteidiger Bastian Oczipka nahm seinen Platz ein.

Die Schalker Vorstöße endeten meistens knapp hinter der Mittellinie

Bis zum 0:1 machten die Schalker ihre Sache nicht schlecht, sie gestatteten den Dortmundern viel Ballbesitz, aber keine Torchancen. Ein vereinzelter Schuss von Mahmoud Dahoud stellte bis zum 0:1 die einzig nennenswerte Toraktion dar. Der BVB kombinierte zwar auf breiter Fläche, doch ohne öffnende Wirkung. Die Versuche, mit Doppelpässen durch das Zentrum vors Tor zu gelangen, wiederholten sich so zuverlässig, dass die gut sortierte Schalker Deckung problemlos damit umgehen konnte. Erling Haaland, der Gefürchtete, fand zunächst keine Gelegenheit, für Schrecken zu sorgen. Auf der anderen Seite erhielt aber auch Marwin Hitz wenig Anlass, am Spiel teilzunehmen. Die Schalker Vorstöße endeten meistens knapp hinter der Mittellinie. Sturmspitze Matthew Hoppe fand im souverän verteidigenden Mats Hummels seinen Meister. Lediglich Amine Harit durchbrach einmal aussichtsreich die gegnerischen Reihen - Thomas Delaney stoppte ihn im letzten Moment.

Mit dem späten 1:0 begnügte sich der BVB aber nicht vor dem Pausenpfiff. Besser gesagt: Erling Haaland war es, der noch etwas zu melden hatte, indem er eine Flanke von Sancho geradewegs ins Tor beförderte, und zwar auf höchst artistische und spektakuläre Weise. Ein geschenkter Treffer und ein Traumtor des Außerirdischen - die Dortmunder hatten nicht geglänzt in dieser ersten Hälfte, aber sie hatten ein glänzendes Resultat vorgelegt.

Die zweite Hälfte hätte noch mal etwas Spannung aufnehmen können, wenn die Schalker ihre Möglichkeiten zum Anschlusstor genutzt hätten, doch Suat Serdar traf lediglich den Pfosten (51.). Nach Guerreiros 3:0 lief die Partie auf Sparflamme, Schalke ließ sich nicht hängen, fügte sich aber mehr oder weniger in die Niederlage, Haaland machte mit seinem zweiten Tor aus der deutlichen eine demütigende Niederlage. Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen sich auf Schalke jetzt wohl nur noch Menschen, die in ihrer eigenen Fußballwelt leben. Die reale Fußballwelt gibt dazu nichts mehr her.

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