Süddeutsche Zeitung

Cricket-Verbandschef im Interview:Trainersuche per Twitter

Lesezeit: 3 min

Nationaltrainer gesucht, bitte retweeten: Die deutsche Cricket-Nationalmannschaft fahndet auf digitalen Wegen nach einem Bundestrainer. Verbandschef Brian Mantle erklärt, weshalb die Suche so schwierig ist - und warum er auf hochkarätige Hilfe aus dem Ausland hofft.

Interview: Johannes Knuth

Wenn ein Sportklub oder -verband einen neuen Trainer sucht, passiert das oft im Verborgenen. Dann wird dementiert, spekuliert, oft wochenlang. Der Deutsche Cricket-Bund (DCB) geht mit der Suche nach einem neuen Bundestrainer offensiver um:

Deutschland sucht einen neuen Cricket-Nationaltrainer, freiberuflich, mindestens Level 3, um uns zur nächsten Europameisterschaft zu führen. Bitte retweeten!

Der Engländer Brian Mantle, 42, ist Geschäftsführer beim DCB und hat die ungewöhnliche Trainersuche im sozialen Netzwerk angestoßen.

SZ.de: Herr Mantle, Ihr Verband sucht per Twitter einen Bundestrainer. Wie kommen Sie denn darauf?

Brian Mantle: Sie müssen wissen, dass Cricket nicht groß ist in Deutschland. Die Nationalmannschaft spielt international aber ziemlich hochklassig, sozusagen bei einer Art B-EM. Deshalb müssen wir laut Regelwerk einen Trainer beschäftigen, der eine gewisse Qualifikation mitbringt, Level-3-Trainer, heißt das. In Deutschland haben wir davon nicht einen einzigen. Also müssen wir im Ausland suchen. Dorthin haben wir aber nicht viele Kontakte.

Wie viele Interessenten haben sich gemeldet?

Wir haben nach unserem Aufruf circa 20 Bewerbungen erhalten, über Twitter und in anderen sozialen Netzwerken. Von diesen 20 Bewerbern werden wir in den nächsten zwei, drei Wochen jemanden nehmen. Es wird wohl entweder ein Holländer oder ein Engländer. Beide Länder sind viel weiter im Cricket als Deutschland.

Dann wohnt der künftige Bundestrainer im Ausland und kommt ab und zu nach Deutschland?

So ist es angedacht. 2014 findet die B-EM in England statt. Da wäre es durchaus ein Vorteil, wenn der Trainer aus England kommt. Für einen Engländer ist es eine schöne Herausforderung, eine deutsche Cricket-Nationalmannschaft zu trainieren. Das ist in etwa so, als würde ein Deutscher den englischen Handballverband unterstützen. Neben England gibt es noch einige europäische Länder mit Crickettradition, Schottland, Holland, auch Afghanistan. Afghanistan ist die Nummer zwölf der Welt, die werden immer besser. Es gibt dort wenige Plätze und natürlich große politische Probleme. Aber sehr viel Talent. Deutschland ist etwas dahinter. Wir sind derzeit die Nummer 37 der Weltrangliste.

Ist das eine positive Tendenz?

Für die Nationalmannschaft auf jeden Fall. Insgesamt hatten wir 2012 rund 1800 Cricketspieler in Deutschland, rund 40 Prozent mehr als im Jahr davor. In diesem Jahr sind noch einmal 20 Prozent dazugekommen. Das sind bessere Wachstumsraten als in jedem anderen europäischen Land. Trotzdem sind wir natürlich noch immer ein Minderheitssport in Deutschland.

Woran merkt man das?

Viele Leute in Deutschland kennen den Sport, aber nicht die Regeln. Manche Städte haben nicht einmal einen eigenen Cricketplatz, wie München. Das Problem ist, dass ein Spiel lange dauert, manchmal den ganzen Tag über. Wenn sie in Deutschland einen Tag lang einen Sportplatz für ein Cricketspiel reservieren wollen, müssen sie vier Fußballspiele absagen. Das ist schwierig.

Und woher kommen dann die Wachstumsraten in Deutschland?

Erstens machen wir sehr viel Jugendarbeit. Die Vereine gehen an die Schulen und suchen dort nach Nachwuchs. Zweitens gibt es sehr viele Studenten aus asiatischen Ländern, aus Indien, aus Pakistan, die zum Studieren nach Deutschland kommen. Drittens gibt es immer mehr Einwanderer aus Afghanistan. Wenn die hierherkommen, ist das Erste, was sie suchen, ein Cricketverein. Ein Mann in Deutschland ist fußballinteressiert, Inder, Pakistani und Afghanen sind cricketverrückt.

Ist das der Grund, warum in der deutschen Nationalmannschaft kein gebürtiger Deutscher spielt?

Das stimmt nicht ganz. Die Nationalspieler kommen zwar alle aus Asien, aus Pakistan, Indien, Sri Lanka. Aber viele wurden in Deutschland geboren, leben hier in zweiter, dritter Generation, haben einen deutschen Pass. Bei der Fußball-Nationalmannschaft geht das ja in eine ähnliche Richtung. Aber es stimmt schon, wenn man ein Foto von unserem Team sieht, sieht das nicht gerade wie eine deutsche Nationalmannschaft aus ...

... eher eine pakistanisch-indisch-afghanisch-sri-lankische Auswahl ...

... genau. Aber wir machen keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Religionen oder Herkünften. Dort, wo die Spieler ursprünglich herkommen, wäre es zum Beispiel nie möglich, dass Inder und Pakistani für eine Mannschaft spielen.

Für die Spieler ist der Einsatz im Nationalteam wohl eher ein Hobby?

Im vergangenen Jahr waren wir auf zwei Turnieren, in Botswana und England, für 20 Tage. Da ist für die meisten der Jahresurlaub draufgegangen. Bisher treffen sich die Nationalspieler zwei Mal im Jahr. Nächstes Jahr wollen wir die Auswahl vier, fünf Mal versammeln. Das ist viel für uns. Wir haben zwar Geld, aber noch immer zu wenig.

Wie finanziert man Cricketsport in Deutschland? Es gibt ja keine Förderung vom Deutschen Olympischen Sportbund, Cricket ist nicht olympisch.

Da haben wir einige Vorteile gegenüber anderen Verbänden. Der ICC (International Cricket Council Weltverband, Anm. d. Red), ist hinter dem Internationalen Olympischen Komitee und der Fifa die größte Sportorganisation der Welt. Die nehmen viel Geld über Sponsoren- und Fernsehverträge ein, vor allem in Asien. Dort ist Cricket eine Religion. Das Geld gibt der ICC an andere Nationalverbände weiter, wie an uns. Die wollen, dass Cricket globaler wird. Wir müssen das Geld in die Nationalmannschaften investieren, in Nachwuchsarbeit, in neue Cricketplätze. Das will der ICC so.

Ihr Ziel ist jetzt die B-EM 2014. Was erhoffen Sie sich?

Wir zählen zu den Favoriten, spielen gegen Mannschaften, die wir dieses Jahr alle geschlagen haben: Österreich, Norwegen, Gibraltar, Isle of Man (Insel in der irischen See, Anm. d. Red.). Es kann sein, dass wir gewinnen und aufsteigen.

Dann auch mit einem neuen Trainer ...

... genau. Den präsentieren wir hoffentlich zu Weihnachten. Dann natürlich auch wieder auf Twitter.

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