Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Bloß nicht die Bilder liefern, dass alles überstanden ist

Lesezeit: 2 min

Sportlich hätte das DFB-Pokalendspiel Publikum auf den Rängen verdient. Doch das Berliner Olympiastadion wird am 4. Juli der einsamste Ort im Land sein, aus gutem Grund.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Man kann nicht alles haben, nicht einmal als Rudi Völler. Weltmeister war er 1990, und wenn er in der Bundesliga durch die Stadien rauschte, wurden seine Sturmläufe von einem ehrfürchtigen "Rrrruuuuuudiiiii" von den Tribünen begleitet. Völler hat sogar seine eigene Frisur weltbekannt gemacht, Minipli plus Vokuhila. Kleine Löckchen, die sogar im schärfsten Wind stabil lagen, gepaart mit dem Stil der Neunziger: vorne kurz, hinten lang (Vo-ku-hi-la). Und drunter einen Schnauzbart. Durch dieses einzigartige Ensemble wurde er zur "Tante Käthe" der Nation.

Und heute, da er 60 ist, da sein Grau ihn adelt, hat dieser verdiente Sportsmann, der auch mal Bundestrainer war, jetzt einen dezenten Wunsch geäußert, der wohl abschlägig beschieden wird. Man könne doch, so Völler, "in dem riesigen Stadion ein kleines Zeichen" setzen: "Ich bin da ein bisschen Optimist und habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir vielleicht ein paar Zuschauer dabei haben werden. Aber das entscheidet die Politik." Und die dürfte Nein sagen, nicht einmal Tante Angela wird Tante Käthe diesen Wunsch erfüllen - auch das Pokalfinale, der Schlussakt der Corona-Spielzeit, wird ohne Publikum gespielt, da wird nichts mehr riskiert. Obwohl das Berliner Olympiastadion, in dem vor einem Jahr 74 322 Besucher das 3:0 des FC Bayern gegen RB Leipzig erlebten, in seiner kühlen Kargheit am 4. Juli der einsamste Ort im Land sein wird. Denn jenseits davon, das war nicht nur in Berlin schon jetzt beim Halbfinale so, geht's in den Fußball-Kneipen fast schon wieder zu wie ehedem auf der Engtanzfete.

Das Stadionbild soll nun mal kein Beispiel geben. All die Schlüsselfragen (Wer darf wieder rein? Wer muss draußen bleiben? Wie stellt man das Publikum auf Lücke?) will kurzfristig niemand beantworten. Das folgt frühestens im September. Der Fußball soll nicht die offiziellen Bilder liefern, dass alles überstanden ist.

Sportlich hätte das 2020er-Endspiel eine prickelndere Kulisse verdient. Erscheint das Duell FC Bayern gegen Bayer Leverkusen, jenem Klub, bei dem Völler das Amt des Geschäftsführers bekleidet, doch als finale Zuspitzung der großen Geisterspiel-Erkenntnis: Fehlt die Stimulanz von der Tribüne, entfällt der Heimvorteil - deshalb setzt sich meist das technisch versiertere Team durch. Muss der zwölfte Mann zu Hause vorm Fernseher bleiben, fehlt jene Kraftquelle, aus der sich zum Beispiel der 1. FC Saarbrücken, ein Viertligist, auf dem Weg ins Pokal-Halbfinale speiste bei seinen Siegen gegen Zweitligisten (Regensburg, Karlsruhe) und Erstligisten (Köln, Düsseldorf). Erst beim 0:3 dominierten Leverkusens feine Füße; im leeren Haus im Ausweichquartier Völklingen fand sich die Überraschungself nicht mehr zurecht. Kein Wunder, bei der ARD gingen sogar Beschwerden ein, das Vogelgezwitscher aus dem benachbarten Wald störe den Genuss.

Der gleichzeitig übertragende Sender Sky will erst gar nicht in den Verdacht geraten, er zeige statt Fußball eine Natur-Doku. Er macht's wie in der Comedy, bei der die Lacher vom Band kommen: Sky mischt Jubel und Pfiffe von der Tonspur hinzu, womit das Klack-klack-klack der Ballkontakte übertönt wird. Wie's im Olympiastadion beim Pokalfinale 2020, das ein gutes zu werden verspricht, wirklich war, muss dann später mal Rudi Völler erzählen. Der darf da nämlich rein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4933312
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.