Süddeutsche Zeitung

Clemens Fritz:Mehr als nur ein guter Spieler

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Von Christof Kneer

Am 4. März 2017 hat Clemens Fritz sein letztes Spiel für Werder Bremen bestritten, und es wäre übelste Nachrede, daraus die falschen Schlüsse zu ziehen. Es war ein alles in allem recht scheußliches Spiel der Bremer, worüber der 2:0-Sieg kaum hinwegzutäuschen vermochte. Allerdings kam es dann so, dass die Bremer diesen glücklichen Sieg nutzten, um danach so gut wie jedes Spiel zu gewinnen, das ihnen vor die Füße kam - ohne Clemens Fritz, den Kapitän, der sich im besagten Darmstadt-Spiel eine schwere Sprunggelenkverletzung zugezogen hatte.

Aber es wäre eben doch etwas niederträchtig, aus dieser schönen Serie nun die Verzichtbarkeit dieses sehr verdienten Spielers abzuleiten - und zum Glück gibt es in diesem Spiel noch keine Daten, auf deren Basis man berechnen könnte, ob ein Spiel anders gelaufen wäre, wenn ein anderer Spieler gespielt oder nicht gespielt hätte.

Weniger niederträchtig ist es zu behaupten, dass Werder den Spieler Fritz nicht mehr dringend braucht. Man darf das schon deshalb behaupten, weil Clemens Fritz es selber sagt: "Dass sich der Verein inzwischen stabilisiert hat, lässt mich diese Entscheidung ruhigen Gewissens treffen" - die Entscheidung, die er meint, ist die grundsätzlichste, die ein Fußballprofi treffen kann: Fritz, 36, hat beschlossen, seine Karriere zu beenden - nach 368 Pflichtspielen für den SV Werder, dem er sich 2006, aus Leverkusen kommend, angeschlossen hatte.

Eine Art Brückentechnologie für Werder

Man müsse überlegen, ob man Fritz zum Ehrenspielführer mache, hat der Bremer Sportchef Frank Baumann gerade gesagt und einen schönen Gedanken angehängt: Zwar seien in der Vergangenheit "gewisse Kriterien" aufgestellt worden, die man erfüllen müsse, um bei Werder Ehrenspielführer zu werden - aber, meinte Baumann, "wenn Clemens sie nicht erfüllt, dann müssen wir schauen, ob wir die Kriterien anpassen".

In Bremen wissen sie genau, was sie ihrem alten Fritz zu verdanken haben. Natürlich war Fritz immer ein sehr guter Spieler, erst als Außenverteidiger, später im zentralen Mittelfeld, aber in eine Elf der ewigen Werder-Helden würde er es kaum schaffen, und auf der ewigen Werder-Helden-Bank würde er wohl auch nur landen, wenn es eine sehr lange Bank wäre, auf die mehr als die üblichen sechs Spieler drauf passen.

Aber Fritz hat zum Wohl des Klubs mehr beigesteuert als gute Spiele: Er ist mit jedem Jahr immer mehr zu einem Identitätsstifter geworden, hinter dem sich die Fans in dieser rührend fußballbegeisterten Stadt versammeln konnten. Vor einem Jahr hat er, mitten im finstersten Abstiegskampf, seinen Vertrag noch mal verlängert, egal für welche Liga!, wie er betonte - am Ende hat dann wieder die halbe Stadt den Teambus ins Stadion geleitet, wo das emotionalisierte Werder-Team den VfB Stuttgart mit 6:2 besiegte.

Clemens Fritz war eine Art Brückentechnologie für Werder, er war der perfekte Übergangsspieler für die Zeit nach der großen Micoud-und-Ailton-Ära. Und er weiß: Nun, da sich - vorsichtig - die Entwicklung einer neuen Elf andeutet, kann er's gut sein lassen. Die kicken jetzt auch ohne ihn.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2017
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