Süddeutsche Zeitung

Champions League:Dortmund fehlt überraschend Eingebung und Tempo

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Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Als der Trainer Lucien Favre einmal gefragt wurde, was er an seinem Stürmer Paco Alcácer besonders schätzt, antwortete er: "Er spürt Fußball." Als Favre ein anderes Mal gefragt wurde, was er an Mario Götze besonders schätzt, sagte er: "Er spürt Fußball." Als dann alle lachten, rief Favre empört: "Es ist die Wahrheit!"

Borussia Dortmunds Trainer will mit seinem neuen Lieblingssatz auf den Instinkt der beiden Angreifer hinaus. Sie antizipieren meistens Spielzüge und gehen eine manchmal schon telekinetisch anmutende Liaison mit dem Ball ein. Das machten beide in dieser Saison mitunter derart gut, dass Favre sich bisher nicht dauerhaft entscheiden konnte, wen er lieber ins Sturmzentrum stellt, denn Platz ist nur für einen von beiden. Je vier Mal hatte er in den vorangegangenen zehn Spielen Alcácer und Götze dort vorne in seine Startelf positioniert, zwei Mal die Drittlösung Maximilian Philipp.

Am Mittwoch im Champions-League-Spiel gegen Club Brügge entschied sich Favre für Alcácer. Als Startspieler hatte Alcácer zuvor erst zwei Tore geschossen, als Einwechselspieler bereits acht. Diesmal durfte er trotzdem (und erst zum zweiten Mal vor heimischem Publikum) von Beginn an ran. Ob Favre es später bereut hat? Das Spiel endete nämlich torlos. "Brügge hat sehr gut verteidigt", sagte der etwas unglücklich wirkende Favre bei Sky. "Wir haben einfach die Lücken nicht gefunden." Es fehlte diesmal irgendwie das Gespür, fast schon gewohnte Tugenden ließ der BVB vermissen. Erst zum dritten Mal im 19. Pflichtspiel schoss der BVB kein Tor.

Im dritten Heimspiel dieser Champions-League-Gruppenphase nach 3:0 gegen Monaco und einem 4:0 gegen Atlético Madrid war so ein 0:0 gegen Brügge vielleicht eine Enttäuschung, aber immerhin verhalf auch dieses Unentschieden der Borussia ins Achtelfinale im kommenden Februar. Bloß Gruppenerster können sie jetzt aus eigener Kraft nicht mehr werden. "Wichtig war heute, dass wir uns fürs Achtelfinale qualifiziert haben", sagte nachher ein nicht gerade überschwänglicher Sportdirektor Michael Zorc, der beklagte, "dass das Tempo nicht hoch genug war". Aber das schien er diesmal verschmerzen zu können.

Diesmal bringt auch Sancho nicht den erhofften Schwung

Anfangs dachte man noch: Naja, die erste Halbzeit ist sowieso nicht die größte Stärke der Dortmunder, jedenfalls was das Toreschießen betrifft. Auch gegen Brügge zeigten die Westfalen zwar Qualitäten im Gegner-müde-laufen, bloß Tore wollten noch keine fallen. Christian Pulisic schoss dem Brügger Torwart Ethan Horvath in der 10. Minute aus fünf Metern stumpf vor den Bug, und Marco Reus zielte in der 32. Minute allein vor Horvath derart genau, dass der Ball um Zentimeter am linken Pfosten vorbeistrich. So schoss diese offensiv oft so spektakuläre Dortmunder Mannschaft zum elften Mal im 19. Pflichtspiel dieser Saison und im vierten Spiel nacheinander in der ersten Halbzeit kein Tor. "Ich glaube, die Entschlossenheit am Schluss hat uns gefehlt", sagte Verteidiger Manuel Akanji.

Dabei hatte es Warnungen gegeben. Von ganz oben. "Wir müssen dieses Spiel angehen, als gäb's kein Morgen", hatte der Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke drohend gesagt. Daraus sprach angesichts von zuvor nur einer Niederlage (0:2 bei Atletico Madrid) in 18 Pflichtspielen eine seltsame Furcht davor, die Mannschaft könnte die Spannung verlieren, indem sie sich ihrer Sache zu sicher wäre. Ganz unberechtigt war sie vermutlich nicht, auch die seit dem 3:2 gegen den FC Bayern vor knapp drei Wochen so kraftstrotzenden Dortmunder stolperten also einmal.

Natürlich erhöhten die Spieler in der zweiten Halbzeit das Tempo, streuten eine Prise mehr Tiki-Taka in ihr Spiel, aber als in der 73. Minute Jadon Sancho für Raphael Guerreiro ins Spiel kam, stand es immer noch nullzunull. Wenn der junge Engländer eingewechselt wird, hat man normalerweise fast schon eine Torgarantie. Diesmal aber nicht. Brügge verteidigte mit allem, was sie auf dem Feld hatten, und den Dortmundern fehlten diesmal überraschenderweise Eingebung und Tempo, um diesen belgischen Riegel zu knacken.

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