Süddeutsche Zeitung

Union Berlin:Volland bricht den Bann

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Erst der emotionale Abschied von Urs Fischer, dann der späte Ausgleich gegen Augsburg: Der 1. FC Union feiert den ersten Bundesligapunkt seit Sommer - und wundert sich dabei über den Schiedsrichter.

Von Javier Caceres, Berlin

Falls Urs Fischer und sein Assistent Markus Hoffmann sich eines Tages fragen sollten, ob sie noch jemand liebt, werden sie nur ein Panoramabild zücken müssen. Das Panoramabild, das am Samstag im Stadion An der Alten Försterei entstand.

Es waren nicht nur die Ultras, die sich vor dem gerade entlassenen Trainer noch einmal verneigten, sie hatten ein großes Tifo gebastelt: "Danke, Urs & Hoffi. Ihr habt Träume verwirklicht, die wir eigentlich nie hatten", war auf dieser Choreografie zu lesen. Auf allen Tribünen zückten Anhänger Plakate, die belegten, dass Fischer "immer einer von uns" sein wird, ein "Petri Heil", weil er bekanntermaßen Angler ist, oder auch nur ein schlichtes: Danke.

Gäbe es für Sentimentalitäten Punkte, so hätte Union am Samstag die Abstiegsränge verlassen. Aber: die gibt es eben nicht. Was es gab, immerhin, war der erste Bundesligapunkt seit Zeiten, da es in Berlin noch Sommer war. Denn in der 88. Minute stellte Kevin Volland ein 1:1-Unentschieden gegen den FC Augsburg her. Damit ist Union nur noch Vorletzter der Bundesligatabelle - einen Punkt vor dem 1. FC Köln.

Lieber noch mal anschauen, Kollege, meldet der Kölner Keller

Das erste Spiel nach der fünfeinhalbjährigen Fischer-Ära war auch die Bundesliga-Premiere für das U19-Trainerteam: Marco Grote und Marie-Louise Eta, die als Interimslösung installiert worden waren. Sie wirbelten, wie angekündigt, tatsächlich nicht alles durcheinander: Der Unterschied zu Fischers Stil war keine Frage von Tag und Nacht. Vielmehr dürften sie sich wie zuletzt Fischer gefühlt haben.

Zum Beispiel, als Abwehrchef Robin Knoche einen Foulelfmeter verschoss, den der Schiedsrichter erst nach gutem Zureden des Videoschiedsrichters (VAR) verhängte. Aber am Ende durften sie sich über eine geschlossene Mannschaftsleistung freuen, sowie über eine klare Leistungssteigerung ihrer Mannschaft nach der Pause. Und sich gleichzeitige über seltsame Entscheidungsfindungen von Schiedsrichter Florian Badstübner gewundert haben.

Schon in der ersten Hälfte hatte der Referee einiges dazu beigetragen, die Emotionalität der Begegnung zu steigern. Vor allem in der 39. Minute, als er nach einem Zweikampf von Robin Gosens und Arne Engels instinktiv einen Foulelfmeter verhängte. Bei selbigem wurde aber der Wesenszug des Fußballs als Kontaktsportart infrage gestellt, weshalb sich der Kölner Keller meldete - mit der Order: lieber noch mal anschauen, Kollege!

Nationalspieler Gosens haderte indes nach der Partie damit, dass er in der Szene ein derart hohes Risiko eingegangen war. Arne Engels war an der Strafraumgrenze angespielt worden, und Gosens traf bei seinem ungestümen Abwehrversuch zwar den Ball zuerst, aber auch den Gegenspieler. Wie auch immer: Ermedin Demirovic verwandelte sicher zum 1:0 - und multiplizierte die Schwere der Köpenicker Gedankenwelt.

Die Augsburger Führung zur Halbzeit geht allemal in Ordnung

Sie war in der ersten Halbzeit greifbar gewesen - kein Wunder nach bis dahin 13 Niederlagen und einem Remis. Nicht, dass die Köpenicker keine Chancen gehabt hätten, ganz im Gegenteil, sie kamen auch sehr ansehnlich in die Partie. Doch spätestens, nachdem Kevin Behrens (10./27.) und David Fofana (45.+2) zweimal aussichtsreich gescheitert waren, waren die Augsburger mit größerer Selbstverständlichkeit und mehr Selbstvertrauen unterwegs. Die Führung der Augsburger zur Halbzeit ging allemal in Ordnung.

Nach der Pause allerdings änderte sich die Dynamik des Spiels. Die Unioner standen nun kompakter, es schimmerten auch mehr spielerische Ansätze durch als zu Beginn. Eine weitere Veränderung im Vergleich zur ersten Hälfte: Augsburg schaffte es nicht mehr, die Kombinationen der Gastgeber durch aggressives und vor allem frühes Pressing zu unterbinden. Nach dem von Knoche vergebenen Elfmeter (58.) und einem zurecht wegen Abseits aberkannten Kopfballtores von Gosens (63.) wechselte Trainer Grote sukzessive frische Offensivkräfte ein: die schnellen Jérome Roussillon und Josip Juranovic für die Außenbahnen sowie Mikkel Kaufmann und Benedict Hollberbach für die vorderste Front.

Das Ausgleichstor aber erzielte der frühere Nationalspieler Kevin Volland, der erstmals nach langer Zeit wieder von Anfang an spielen durfte - und gerade noch rechtzeitig genug in die Partie fand. In der 88. Minute traf er nach Kopfballablage von Knoche flach ins Tor. "Ein Schritt ist gemacht, ein Schritt in die richtige Richtung", sagte Grote nach seiner ersten Bundesligapartie: "So soll es gern weitergehen." Dir nächsten Aufgaben Unions haben es in sich: Am Mittwoch in Braga (Portugal) in der Champions League - und danach in der Bundesliga beim FC Bayern in München.

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