Süddeutsche Zeitung

Bundesliga-Trainer Weinzierl und Wiesinger:Leiser Erfolg der Klopp-Antithesen

Lesezeit: 1 min

Sie stehen für vieles, wofür Jürgen Klopp nicht steht: Die Trainer Markus Weinzierl und Michael Wiesinger wirken in der öffentlichen Wahrnehmung unauffällig und sind trotzdem erfolgreich. In Augsburg und Nürnberg freut man sich zu Recht über zwei Typen, die bewusst nicht den stilbildenden Kulttrainer nachahmen.

Ein Kommentar von Christof Kneer

In der Sportschau waren Michael Wiesinger und Markus Weinzierl gut aufgehoben. Da durften sie Wiesinger und Weinzierl sein, die Fußballtrainer aus Nürnberg und Augsburg. Wiesinger zu sein, bedeutet zum Beispiel, dass man nach einem Führungstor gegen Schalke auf der Trainerbank sitzen bleibt und die Faust schüttelt. Beim 2:0 hat Wiesinger auch die Faust geschüttelt, aber er ist immerhin aufgestanden dabei. Es war kein unwichtiges Tor, nebenbei bemerkt, es dürfte Nürnberg den Klassenverbleib gesichert haben und Wiesinger womöglich einen neuen Cheftrainer-Vertrag.

Aber muss man deshalb jubeln wie Jürgen Klopp, der der unschuldigen Luft um ihn herum regelmäßig eine Tracht Prügel verpasst? Steht irgendwo geschrieben, dass man - wie andere Kollegen - auf alle draufspringen muss, die den gleichen Trainingsanzug tragen? Muss man - wie wiederum andere Kollegen - bockspringen und veitstanzen oder ein paar neunmalkluge Sprüche raushauen? Wiesinger und Weinzierl würden sagen: Nö. Muss man nicht.

Wenn die Sportschau endet, starten an den nicht gebührenfinanzierten Sendeplätzen die anderen Sendungen, und manchmal treten dann Kandidaten auf, die Loopings spucken oder vierstimmig rülpsen können. Wiesinger und Weinzierl können - vermutlich - beides nicht, aber im Moment sieht es nicht so aus, als würden ihre Mannschaften etwas vermissen.

Im Moment sieht es so aus, dass hier zwei unaufdringliche Typen unaufdringlich vor sich hin reüssieren, und das in einer Branche, deren Blenderfaktor hoch ist und in der jeder, der nicht bei drei auf dem Baum, in Nürnberg oder in Augsburg ist, gnadenlos unter "Kult" verbucht wird. Wiesinger und Weinzierl sind nicht Kult. Na und? Es spricht sehr für sie, dass sie nicht mal versuchen, die wirklich stilbildenden Kulttrainer wie Klopp, Tuchel oder Streich oder gar deren Nachahmer nachzuahmen.

Speziell der Nürnberger Wiesinger hat eine Debatte durchstehen müssen, die für einen selbstbewussten jungen Mann schwer zu ertragen und fast schon ehrenrührig ist. Er ist 23 Zentimeter kleiner und etwa 154 Dezibel leiser als Jürgen Klopp, woraus sogleich eine Autoritätsdebatte konstruiert wurde. Parallel zu dieser Debatte hat Wiesinger seine durchaus komplizierte Mannschaft mit verschmitzter Autorität in den Griff bekommen, und der Kollege Weinzierl hat seine erloschene Elf einstweilen mit bayerischer Geradlinigkeit vitalisiert.

Ob aus den beiden mal hochkarätige Trainer werden, kann keiner seriös vorhersagen, aber immerhin: In dieser geschwätzigen Selbst-Inszenierer-Branche sind die Siege von W. & W. eine schöne, leise Momentaufnahme.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1626742
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.03.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.