Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Lucky Punch auf hanseatisch

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Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Eine kurze Diskussion gab es schon noch, als der Ball in der sechsten Minute der Nachspielzeit so verführerisch da lag. Max Kruse war beteiligt, der Kapitän dieser Bremer Mannschaft, und Milot Rashica, ein erst zehn Minuten vorher eingewechselter 22-Jähriger. Er berichtete hinterher, erst hätten sie sich irgendetwas ausdenken wollen, aber dann hätte der Chef Kruse zu ihm gesagt: Wenn du dich sicher fühlst, dann versuch es. Und Rashica fühlte sich sicher, er lief an und zog aus knapp 25 Metern den Ball zum 2:1-Sieg seiner Bremer in Frankfurt ins Netz. "Das war ein großer Moment", sagte der gebürtige Kosovare hinterher, und es machte die Sache für ihn noch ein bisschen großartiger, dass sich im Publikum gleich ein Dutzend Verwandter und Freunde zusammengefunden hatten, die in Frankfurt leben.

"Natürlich fällt es einem schwer, von einem verdienten Sieg zu reden, wenn man in der letzten Minute ein Tor schießt, aber ich mache es trotzdem", sagte Bremens Trainer Florian Kohfeldt nach dem Spiel. Und unangebracht war diese Einschätzung tatsächlich nicht nach einer durchaus aufregenden Partie mitsamt einer 60-minütigen Überzahl für die Werder-Mannschaft.

Bei Werders Treffer machten es nur die Unparteiischen spannend

Für die Frankfurter begann dieser Nachmittag eigentlich ganz ordentlich. Im Tor stand Rückkehrer Kevin Trapp, der am Freitag nach drei Jahren bei Paris Saint Germain sich wieder der Eintracht angeschlossen hatte, und zunächst waren die Gastgeber auch die bessere Mannschaft. Doch Angreifer Sebastien Haller vergab eine Großchance (14.), und stattdessen gelang nach 21 Minuten Werder die Führung. Yuya Osako stand plötzlich völlig frei und schob den Ball ein, und spannend machten es dann nur die Unparteiischen. Denn erst hob der Schiedsrichter-Assistent an der Seite die Fahne (und gab der Schiedsrichter Sören Storks den Treffer wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht). Aber dann meldete sich der Schiedsrichter-Assistent aus Köln zu Wort und wies Storks darauf hin, dass doch alles regulär gewesen sei.

Gut zehn Minuten später schien die Partie dann entscheiden zu sein. Frankfurts Außenverteidiger Jetro Willems langte Bremens Verteidiger Theodor Gebre Selassie mit der Hand ins Gesicht und sah zu Recht die rote Karte - und damit war Frankfurt ab Minute 32 in Unterzahl. Doch die Bremer spielten "nicht strukturiert genug", wie ihr Trainer Kohfeldt fand, und die Frankfurter wiederum zeigten sich sehr engagiert. Und kurz nach dem Seitenwechsel kamen sie sogar zum Ausgleich.

Erst spät fanden die Bremer die einer Überzahl-Situation angemesse Struktur

Bremens Ludwig Augustinsson köpfelte einen Ball nachlässig in Richtung seines Torwartes Jiri Pavlenka, Mijat Gacinovic ging dazwischen - und wurde von Pavlenka gelegt. Dabei bekam der Bremer Torwart einen Ellbogen ins Gesicht; er musste verletzt ausgetauscht und ins Krankenhaus gebracht werden. Das sah zwar richtig übel aus, aber unmittelbar nach dem Spiel hieß es, dass Pavlenka bei Bewusstsein und gemäß einer ersten Diagnose nichts gebrochen sei, sondern es einen Verdacht auf Gehirnerschütterung gebe.

Den fälligen Elfmeter wiederum verwandelte Haller zum 1:1, und in der Folge merkte man zunächst gar nicht, "dass wir einer weniger waren", wie Frankfurts Sportchef Bruno Hübner fand. Nach 61 Minuten bugsierte zwar Yuya Osako den Ball ins Tor. Aber er stand dabei im Abseits, und diesmal änderte auch der Video-Assistent an dieser Entscheidung nichts.

Erst eine gute Viertelstunde vor Schluss fanden die Bremer die Ordnung und Struktur, die einer Überzahl-Situation angemessen waren - und Frankfurt war fortan der lange Abnutzungskampf in Unterzahl anzumerken. Nach 73 Minuten zog Kruse aus der Distanz ab, kurz darauf versuchte es Gebre Selassie mit einem raffinierten Volley-Aufsetzer, den Frankfurts Kapitän David Abraham von der Linie köpfelte. Sieben Minuten vor Schluss tauchte Pizarro nochmal vor dem gegnerischen Tor auf, konnte aber nicht vollenden. Und in der Nachspielzeit hatte Rashica zunächst auf Vorlage von Osako eine Riesenchance, die Trapp parierte. Aber dann bekam er in der sechsten Nachspiel-Minute diese Freistoß-Chance, bei der er sich trotz der zuvor vergebenen Gelegenheit etwas zutraute - und zum 2:1-Sieg einschoss.

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SZ vom 02.09.2018
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