Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Klassenerhalt - und ganz Bremen hebt ab

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Von Carsten Eberts

Der Schlusspfiff ertönte, die Ersatzspieler stürmten los, auf den Rasen, und mittendrin Viktor Skripnik. Die Arme weit ausgebreitet rannte er auf den Platz, wie ein Flugzeug bahnte sich der Trainer seinen Weg. Zu seinen Helden, seinen Spielern, schließlich zu Papy Djilobodji, den größten aller Werder-Helden an diesem Nachmittag.

Djilobodji, ein Name, der sich kaum aussprechen lässt. Der in dieser Nacht in Bremen aber noch vielfach besungen und begrölt werden sollte. Ein Tor brauchte der SV Werder, um am letzten Spieltag den Klassenerhalt zu schaffen, im direkten Duell gegen Eintracht Frankfurt, das ebenfalls den rettenden Platz 15 erreichen wollte. Und es fiel. In der 88. Minute. Durch Djilobodji, der Leihgabe vom FC Chelsea, diesen Teufelskerl von Innenverteidiger.

Noch Ende März war er für zwei Spiele gesperrt worden, weil er sich gegenüber dem Mainzer Pablo de Blasis zu einer fiesen Kopf-ab-Geste hatte hinreißen lassen. Damals böser Bube, heute der Retter.

Schon den ganzen Tag, eigentlich die gesamte Woche hatte die Werder-Familie auf diesen Moment hingefiebert. Den Samstag über wirkte es, als sei ganz Bremen durch den grün-weißen Farbtopf gezogen worden. Die Straßen waren seit den Morgenstunden mit Fußballfans gefüllt, auf dem Osterdeich, der die Weser entlang zum Stadion führt, gab es weit vor dem Anpfiff kein Durchkommen mehr.

Als kurz vor 15 Uhr der Bremer Mannschaftsbus die Rampe passierte, mussten berittene Polizisten den Weg frei machen. Bengalos hüllten die Straßen in grünen und weißen Rauch. Nicht aus Zorn, nein, die Botschaft war: Wir stehen hinter euch, ohne jeden Zweifel.

Dieser Euphorie wussten die Frankfurter auf dem Platz zunächst gekonnt zu begegnen. Schon in der zweiten Minute holte Werder-Keeper Felix Wiedwald einen Kopfball von Änis Ben-Hatira aus dem linken, unteren Eck. Bremen wirkte nervös, vielleicht ob der gewaltigen Kulisse im ausverkauften Stadion. Nach 20 Minuten war es wieder Wiedwald, der zuletzt oft kritisierte Torwart, der sein Team gegen Hasebe vor dem Rückstand bewahrte. Mit einer sensationellen Abwehraktion lenkte er den Ball über die Latte.

In der zweiten Halbzeit wurde es allmählich besser. Der direkte Abstieg, der ja theoretisch auch möglich gewesen wäre, war längst abgewendet, da der VfB Stuttgart in Wolfsburg zurücklag und schließlich 1:3 verlor. Nun sollte aus Bremer Sicht auch die Relegation vermieden werden. Es war weniger die große Fußballkunst, die Werder nun zeigte - aber die Spieler kämpften, unerbittlich.

Weil auch die Frankfurter unerbittlich kämpften, entwickelte sich ein Ringen um jeden Ball, um jedes bisschen Raum. Allerdings kam die Eintracht bald gar nicht mehr hinten raus, verdaddelte oft zu schnell den Ball im Konter und sehnte nur noch den Schlusspfiff herbei.

Flanke um Flanke segelte in den Frankfurter Strafraum. Mal ins Aus, mal auf Claudio Pizarro, mal auf den eingewechselte Anthony Ujah. Und die Eintracht, die inzwischen mit Fünferkette verteidigte, geriet immer häufiger in Verlegenheit. Sie wollte das 0:0 über die Zeit retten, doch das Publikum sang lauter und lauter. Sollte das Tor eben mit Stimmkraft erzwungen werden. Özkan Yildirim vergab eine Gelegenheit (82.), wie zuvor bereits Zlatko Junuzovic. Es wollte nicht fallen, das erlösende Tor.

Und es fiel eben doch noch. In der 88. Minute, durch Papy Djilobodji. Freistoß Junuzovic, der x-te: Pizarro köpfte in die Mitte, Ujah brachte den Ball entscheidend Richtung Tor, Djilobodji drückte ihn letztlich über die Linie (88.). Ein Abstauber, doch völlig egal. "Wir haben vor dem Spiel gesagt: Wir können das Spiel auch in den letzten Minuten entscheiden", jubelte Manager Thomas Eichin. Die Rettung für Bremen, sie kam tatsächlich.

Das Stadion explodierte. Nach vier Minuten Nachspielzeit begann die Party, die Tore wurden geöffnet, die Fans stürmten den Rasen, voller Euphorie, aber friedlich. "Wir haben uns belohnt, und so etwas geht in die Geschichte ein", erklärte ein völlig geplätteter Zlatko Junuzovic. Seine Bremer dürfen nun als Erstligist Sommerpause machen, Frankfurt muss in die Relegation.

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