Süddeutsche Zeitung

Bundesliga im Abstiegskampf:Gruß vom FC Wackelknie

Lesezeit: 2 min

Fast wie 1998/99: Neun von 18 Mannschaften - die halbe Liga steckt im Kampf gegen den Abstieg. Große Namen sind dabei. Aber auch kleine Klubs, die dachten, sie seien viel zu clever für den Absturz.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Im Kampf gegen den Abstieg sind nur die besten Kräfte gefragt, Männer ohne Nerven, Männer, die nie die Übersicht und selbst im wildesten Gedränge ihre Stimme nicht verlieren. Und auch wenn erst der 21. von 34 Spieltagen absolviert wurde, ist es an der Zeit, sich auf den 25. Mai 2015 einzustellen.

Dies wird der letzte Spieltag der Bundesliga-Saison sein, schon jetzt deuten alle Alarmsignale darauf hin, dass es mal wieder ein besonderer werden wird. Gut, die Live-Konferenz im öffentlich-rechtlichen Radio ist ein wenig aus der Mode gekommen, trotzdem könnte dieser Tag im Mai den Anlass liefern, den Reporter Günther Koch zu reaktivieren. 73 ist er inzwischen, er leidet im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg und in der zweiten Liga, auch deshalb gibt es kaum einen besseren Kronzeugen des drohenden Untergangs. Kommt doch bis heute keine Bundesliga-Chronik ohne jenen Satz aus, den der Überzeugungs-Franke in der Schlusskonferenz vom 34. Spieltag der Saison 1998/99 in die Mikrofone stöhnte: "Wir melden uns vom Abgrund!"

In dieser Untiefe sind Koch und seine Nürnberger damals versunken, weil der Club zu Hause mit 1:2 gegen Freiburg verlor, während die Frankfurter Eintracht zeitgleich zu einem bis heute wundersamen 5:1 gegen Kaiserslautern kam. Es half kein Sehnen, half kein Flehen - Originalton Koch: "Der FC Wackelknie, der FC Nürnberg, die Nürnberger, die Clubberer, ja was ist denn, wo denn, da muss man doch kämpfen . . ."

Die Schaltkonferenz gilt als ein Stück Radio-Geschichte, unübertrefflich heißt es bis heute, aber das könnte ein Irrtum sein. Verglichen mit der Gegenwart war der Abgrund damals nur eine Grube. Auch wenn es noch nicht alle wahrhaben wollen - beispielsweise Hannovers Trainer Tayfun Korkut nicht -, befindet sich inzwischen die halbe Liga in akuter Absturzgefahr.

Nur vier Punkte sind es von Platz 10 (Hannover) hinunter zu Abstiegsplatz 17 (Hertha); es sind große Städte in dieser Tabellenregion angelangt (Köln, Hamburg, Dortmund, Berlin, Stuttgart), aber auch eher kleine (Mainz, Freiburg), die gehofft hatten, sie seien in ihrer Nische viel zu clever unterwegs, als dass sie in Turbulenzen geraten könnten. Wenn sich Mainz jetzt von Trainer Hjulmand trennt, dann zeugt das nicht nur davon, dass es schwer ist, dort den Motivations-Extremisten Klopp und Tuchel nachzufolgen, sondern auch davon, dass allerorts die Not-Reflexe greifen.

Natürlich treibt die Mainzer ihre Perspektive an: Am 34. Spieltag sollten sie bereits gesichert sein, denn dann müssen sie zum FC Bayern. Jeder hofft halt heute schon, dass es die anderen sind, denen die rasenden Reporter vom Abgrund die folgenden Günther-Koch-Gedächtnis-Sätze widmen werden: "Das Spiel hier ist aus! Adé, liebe Freunde!"

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Quelle:
SZ vom 17.02.2015
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